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Interview mit Peter Michalski, Inhaber der Hood Company und der Galerie Hood Projects in Düsseldorf

, by Katia Hermann

Wann und aus welcher Motivation heraus hast Du mit Deinem Geschäftspartner Andreas Kopp von dem Künstlerbedarf-Geschäft Hood-Company die Galerie Hood Projects in Düsseldorf gegründet?

Als Kunsthistoriker ist der Gedanke, eine Galerie zu eröffnen nie fern. Bei der Mitarbeit an mehreren Ausstellungen (z.B. „Scola“ – Galerie Töchter und Söhne) habe ich dann gemerkt, dass mir einige Aspekte dieses Betätigungsfeldes überdurchschnittlich viel Spaß machen. Nachdem ich das für mich realisiert hatte, führte ich ein Gespräch mit meinem Geschäftspartner und so wurde die Idee eines Ausstellungsraumes in 2021 konkret.


Wo liegt Eure Galerie in Düsseldorf, wie groß ist sie und wie viele Ausstellungen organisiert ihr pro Jahr? Was ist der Fokus Eurer Galerie?

Unsere Galerie befindet 10 Minuten Fußweg vom Düsseldorfer Hauptbahnhof im Stadtteil Oberbilk. Auf überschaubaren 35 Quadratmetern, verteilt auf 2 Räume, wollen wir pro Jahr 3 Ausstellungen organisieren und das am besten mit Künstlern aus dem Bereich Postvandalismus oder mit Stylewritern, die sich etwas Besonderes erdacht und erarbeitet haben.


Nach welchen Kriterien sucht Ihr Eure Künstler*innen aus?

Das ist meine Aufgabe und so lässt mir mein Partner bei der Künstlerauswahl eigentlich frei Hand. Er weiß, dass ich eine genaue Vorstellung von unserem Galerieprogramm habe und mir in diesen Themenbereich ungemein ungern hereinreden lasse. Über den Zeitraum von 40 Jahren, in dem ich mich mit dem Stylewriting, der Street Art und dem Postvandalismus auseinandersetze, habe ich eben Vorlieben entwickelt und die kann ich schwer ausblenden.

Kommt es nun zur konkreten Auswahl für eine Ausstellung, dann suche ich mein Spektrum ab. Dieses besteht aus Künstlern aus den o.g. Bereichen, deren Entwicklung ich in nicht wenigen Fällen schon seit Jahrzehnten aufmerksam verfolge. Auf diesem Wege will ich ihren Werdegang nachvollziehen können und gleichzeitig feststellen, wer von ihnen noch Feuer hat und wo der Punk sitzt. Zunächst suche ich ein Werk, dass bei mir ein visuelles Gefallen, einen ästhetischen Reiz auslöst, ich bin da wohl ganz einfach gestrickt. Im zweiten Schritt scanne ich den Künstler dann nach Relevanz ab, mag es kunsthistorische, soziale oder politische sein. Danach kontaktiere ich ihn und hoffe immer, auf einen netten Menschen zu treffen.


Wie kam es zu diesen Ausstellungstiteln „actsofpostvandalism“?

Wenn ich in den vergangenen Jahrzehnten Berichte über Aktionen von Stylewritern in englischsprachigen Medien gehört oder gelesen habe, wurde sehr häufig das Idiom „acts of vandalism“ benutzt. Es hat sich bei mir verfangen und dieses dann mit dem Zusatz „post“ zu versehen, war eine fast zu einfache Namensfindung.



In der Broschüre zu dieser 2. Ausstellung schreibst Du, dass die Künstlerauswahl der „actsofpostvandalism2024“ auf der bildhauerischen Praxis beruht. Der amerikanische Künstler Revok ist Teil dieser Ausstellung mit Malerei auf Leinwand. Inwiefern sind seine Arbeiten bildhauerisch?

Betrachtet man das gesamte Werk von Revok, so stellt man fest, dass eins seiner wiederkehrenden Themen ist, die Grenzen von Malerei und Bildhauerei verschwimmen zu lassen. Auf das für die „actsofpostvandalism2024 von ihm produzierte Werk trifft dies aber nicht zu. Das war reinste und feinste postvandalistische Malerei.

Anhand deiner Frage bemerke ich eine Unschärfe hinsichtlich der Ausrichtung der „actsofpostvandalism2024 und deshalb nutze ich hier die Gelegenheit, das Konzept der zweiten Ausstellung ein bisschen weit ausholend zu erklären. Zunächst einmal ist diese mein privates Vergnügen und hat mit der Galerie nichts zu tun.

Ich bin selbst Maler und in meiner Zeit als Student der Kunstgeschichte stellte ich irgendwann fest, dass ich mich nur für genau die Seminare interessiere, die die moderne Malerei betrafen. Da das Studium aber auch die Beschäftigung mit anderen Sparten und Epochen der Bildenden Kunst vorsah, musste ich mich ungewollt auch mit diesen Bereichen auseinandersetzen. Dies endete mit dem Ende des Studiums sofort wieder.

Eine ernsthafte Betrachtung von anderen Formen der Kunst kam erst wieder als mir die Werke von Keinfriede empfohlen wurden. Sein Beitrag zur ersten „actsofpostvandalism“ beeindruckte mich sehr, mein Geist beschäftigte sich lange mit der irgendwie widersprüchlichen Präsenz, die diese im Raum einnahm.

Für die zweite Ausstellung wurde mir angeraten, den skulpturalen Bereich des Postvandalismus stärker zu repräsentieren. Dies passte sehr gut zu meiner Intention Werke von Stephen Burke zu zeigen. Stephen Burke, der durch seinen Instagram Account post_vandalism sehr viel Basisarbeit bei der Zusammenfassung dieser Kunstrichtung geleistet hat und der mich durch seine sozialkritischen Arbeiten beeindruckt, war schon lange in meinem Kopf und dies war nun endlich die Gelegenheit. Bei EGS verhielt es sich anders. Er ist das Beispiel eines Künstlers, den ich seit Jahrzehnten kenne, seine Karriere verfolgte und als er begann Glasskulpturen herzustellen, wunderte ich mich. Nur auf besagtes Anraten setzte ich mich wieder mit seinen Werken auseinander und war erst vollends überzeugt, als ich seine Skulpturen auspackte, selbst in meinen Händen hielt und sie zur Präsentation aufstellte. Das waren sehr schöne Momente, insbesondere als das Sonnenlicht sie so richtig in Szene setzte. Kai Richter, ein sehr alter Weggefährte von mir, vollendete durch sein Objekt sehr gut die bildhauerische Seite der Show.
Absichtlich mit ein bisschen Distanz, die aber keine Trennung versinnbildlichen sollte, bestand die gegenüberliegende Seite der Ausstellung aus einer Gruppe von Leinwänden. Präsentiert links und rechts von einer Ecke, hingen insgesamt drei großformatige Werke von Tilt und Revok. Ihre Malerei rundete die Ausstellung durch ihre beeindruckende visuelle Gegenwart sehr gut ab.
Bei der Planung der „actsofpostvandalism2024“ empfand ich es als sehr wichtig, die bildhauerische Seite durch eine bildliche Seite zu ergänzen. Es sollte eine Art physischer Komplementärkontrast entstehen, bei dem beide Seiten gerade durch die Betonung ihrer Unterschiedlichkeit an Wirkung gewinnen.


Die Serie „actsofpostvandalism“ ist nun die 2. Ausstellung, nach der ersten in 2023. Hier werden Werke anderer Künstler präsentiert und auch an einem anderen Ort. Wie kam es zu diesen neuen Räumlichkeiten? Werdet ihr diese öfter bespielen können?

Es ist erklärtes Ziel nur sehr wenig als fest und gesetzt zu betrachten. Raum, Zeitpunkt, Dauer, Anzahl der Künstler oder Schwerpunkt der Ausstellung sind gewollt keine Konstanten. 



Ich habe gelesen, dass du dich für den Abstrakten Expressionismus begeisterst. Welche Zusammenhänge siehst Du zwischen den bildenden Künstler*innen dieser Stilrichtung und den Künstler*innen mit Ihrem Ursprung im Style Writing?

Ja, ich bin sehr großer Fan der Abstrakten Expressionisten und das erklärt schon sehr viel meiner Vorliebe für die Malerei des Postvandalismus. Beide Formen der abstrakten Malerei haben ansonsten sehr wenig gemein. Natürlich die Absage der figurativen Darstellung, aber danach kommt nicht mehr viel, denn der Hintergrund der jeweiligen Richtung ist völlig unterschiedlich. Während es beim Abstrakten Expressionismus eher um etwas Geistiges, Transzendentales geht, ist ja gerade der Vorteil des Postvandalismus die unterschiedlich geartete Vermittlung der ungesehenen oder ungewollt gesehenen Seiten des Großstadtlebens.


Was ist für Dich der Unterschied zwischen dem schon lange in der Szene verwendeten Begriff Postgraffiti und den relativ jungen Begriff Postvandalismus? Damit meine ich nicht die Nutzung des Begriffs Postgraffiti durch Kunsthändler, wie von den amerikanischen Galeristen in den 80er Jahren. Sondern er wird ja von vielen Künstler*innen aus der Szene selbst verwendet, vermehrt seit den 00er Jahren, wie z.B. auch als # unter Ihren eigenen Posts. Postgraffiti bedeutet hier ja auch das Ausbrechen aus dem klassischen Style Writing, die Weiterentwicklung mit neu gefundenen Formen und Bildsprachen (durch die Loslösung von Buchstaben), und meistens abstrahiert. Wo liegt für Dich der Unterschied beider Begriffe?

Im Laufe der Jahrzehnte habe ich eine sehr persönliche und starke Aversion gegenüber dem Begriff Graffiti entwickelt. Das liegt u.a. an seiner Unschärfe in der Definition und an den Klischees, mit denen er behaftet ist. Es macht für mich da auch gar keinen Unterschied, ob ich „Post“ davor schreibe oder „Writing“ hinten dran hänge. Für mich ist der Begriff Postvandalismus zutreffender. Er beschreibt einfach weitaus mehr den Umbruch, das radikale Element, das Neuerschaffen durch Zerstören des Überholten. Nimmt man diesen althergebrachten Topos der Kunstgeschichte und setzt sich mit den Künstlern dieser Richtung der abstrakten Kunst auseinander, bemerkt man, wie viel Sinn es macht.


Man hat das Gefühl, neue Begriffe werden immer wieder erfunden in dieser Szene, um bestimmte Sparten, Stilrichtungen und Bildsprachen zu definieren, auch für die Vermittlung, ob als Galerist, Kurator, Kunsthistoriker, Autor oder sogar als Künstler*in. Warum ist das so und ist es in Deinen Augen nötig?  

Auf einer wirklich sehr generellen Ebene brauchen viele Menschen Begriffe zur schnellen Einordnung, es vereinfacht das Leben. Bedenkt man, wie unsere moderne Gesellschaft gestrickt ist, dann gehört eben auch dazu, dass für die Kunstwelt und für den Kunstmarkt mit ihrer Sucht nach Neuem alle paar Jahre einfach mal wieder eine Sau mit einem prägnanten Namen durchs Dorf gejagt werden muss. Die Szenen der Street Art, des Stylewriting und des Postvandalismus haben sich da offensichtlich der Mainstream-Kunst angepasst.


Die Szenen haben sich angepasst, aber die Künstler selbst haben sich doch nicht als Postvandalen definiert, oder? Das heißt, Du hast Dich als Galerist mit der Verwendung dieses Begriffs der Mainstream-Kunst also angepasst?

Da Stephen Burke einen Instagram Account mit dieser Bezeichnung führt und dies auch in Interviews und Büchern wiederholt ausführte, zeigt zumindest, dass mindestens ein Teilnehmer der „actsofpostvandalism“ sich als solcher definiert. 

Bei mir persönlich ist es sehr gut möglich, dass ich mich mehr oder weniger bewusst angepasst habe. Mein bereits oben beschriebenes Problem mit dem anderen, soweit propagiertem Begriff Postgraffiti, ließ mir aber auch nicht so wahnsinnig viel Spielraum. 


Du definierst Postvandalismus ja hier nun als Kunstrichtung. Larissa Kikol schrieb in Ihrem herausgegebenen Band „Post-Vandalismus – Eine Ästhetik der Straße“ für Kunstforum in 2023: „Postvandalismus ist ein Begriff, der keine explizit ‚neue‘ Kunstrichtung benennt, aber trotzdem längst überfällig war.“ Also doch keine neue Kunstrichtung, kein neuer Stil und auch keine neue Kunstbewegung?

Deine Fragestellung zielt auf einen Widerspruch meinerseits ab, den ich dir so nicht geben kann. Es ist nicht zwangsläufig ein entweder-oder, es ist eher ein sowohl als auch. Larissa Kikol hat völlig recht, wenn sie schreibt, dass der Begriff „keine explizit ´neue` Kunstrichtung benennt“ denn die Wurzeln liegen zeitlich weit zurück. Dennoch ist die Zusammenfassung der zum Postvandalismus zählenden Künstler erst in den letzten 15 bis 20  Jahren geschehen, also in einem Zeitraum, der in der kunsthistorischen Zeitrechnung eher als „jung“ oder „neu“ zu bezeichnen ist. Die  Ausdifferenzierung dieser Bewegung liegt bei Niels `Shoe` Meulman und seiner `Unrulygallery`. Durch Ausstellungen und der Herausgabe von Büchern formte er diese eigenständige Richtung, die ähnlich wie der Informel oder der Konstruktivismus, zur abstrakten Kunst gezählt wird. Und noch ein kleiner Zusatz: Meiner bescheidenen Meinung nach ist der Postvandalismus wegen der dargestellten Vehemenz und der innewohnenden Dynamik, geschuldet gerade ihrer Herkunft, der momentan interessanteste Teil der aktuellen Kunst.


Was für ein Publikum kommt denn zu Euerer Galerie? Wie ist da die Resonanz?

Unser Publikum ist sehr unterschiedlich, in allen betreffenden Belangen. Wirklich sicher können wir nur sagen, dass Menschen im Rentenalter nicht zu uns kommen. Ansonsten wundern wir uns manchmal wie groß unser Resonanzraum ist. Dem Internet geschuldet kommen die Anfragen aus sehr vielen, auch außereuropäischen Ländern. Darüber hinaus bin ich sehr  beeindruckt, dass viele Besucher aus unseren unmittelbaren Nachbarländern ihren Weg zu uns finden.



Wie viel willst du schon über euer diesjähriges Programm verraten?

Die erste diesjährige Aktion in unserer Galerie wird eine Produktpräsentation der Firma Märklin in Zusammenarbeit mit den Os Gemeos sein, inklusive kleiner Ausstellung. Ich bin sehr gespannt auf das Publikumsinteresse an zwei so berühmten Namen, die aber aus sehr unterschiedlichen Bereichen kommen und dessen gemeinsamer Nenner die beste Gestaltung von Bahnwagen ist.

Das eigentliche Galerieprogramm beginnt aber mit einer Ausstellung der Werke von Nils Jendri. Es war überfällig bei ihm anzufragen, denn er ist einer der Künstler, der den Geist der postvandalistischen Malerei am besten einfängt. Ich freue mich darauf, seine neuesten Werke zeigen zu dürfen.


Lieben Dank Peter Michalski für Deine Zeit!


www.instagram.com/hoodprojects_gallery
www.hood-projects.de


Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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