Skip to main content

DAFNE Tree (ESP) : Zeichnung, Architektur, Lettering und Malerei in situ

, by Katia Hermann

Bleibende Eindrücke aus ihrer Kindheit

DAFNE Tree ist eine Künstlerin, die 1988 in Andújar, Jaén, im Süden Spaniens, geboren wurde. Sie erinnert sich, dass sie bereits in den 90er Jahren Graffiti an einer Wand am Eingang ihres Dorfes sah. DAFNE wuchs auf dem Land auf und lebte einige Jahre mit ihrer Familie in einem Bauernhaus mit Oliven- und Nussbaumfeldern. Es befand sich auf einer römischen Stätte aus dem 12. Jahrhundert, mit Spuren römischer und islamischer Architektur. Archäologen kamen oft zu dieser Stätte, um nach Münzen und anderen archäologischen Artefakten zu suchen. Sie war damals sieben Jahre alt und fasziniert von der Ausgrabungsstätte, fand selbst Artefakte und Fossilien und interessierte sich auch für Dinosaurier, die sie in Büchern entdeckt hatte. Sie hatte einen versteckten Platz auf dem Gelände, an dem sie ihren Namen und Zeichen, die sie in Büchern über alte Zivilisationen fand, auf die Steinmauern zeichnete oder gravierte. Sie erinnert sich auch an die architektonischen Pläne, die ihr Vater für den Bau ihres eigenen Hauses dort zeichnete. Sie liebte es schon damals zu zeichnen, damals überwiegend Dinosaurier, und wusste schon in jungen Jahren, dass sie später im Leben Kunst machen wollte. Im Alter von 13 Jahren entdeckte sie auf einer Autoreise mit ihrer Familie in Spanien zwei 15-jährige Kinder, die auf einen Container am Straßenrand Graffiti Pieces sprühten. Sie war überrascht, dass es sich um Kinder und nicht um Erwachsene handelte, und verspürte den Wunsch, das auch machen zu wollen. Mit 14 Jahren rief eine Freundin sie an, die einige volle Sprühdosen gefunden hatte. Sie gingen zu einer alten Mauer in der ländlichen Umgebung und DAFNE Tree schrieb den Namen eines Sängers in einem arabischen kalligrafischen Stil. Das war ihre erste Verwendung einer Spraydose mit Schreiben.


Studienzeiten zwischen Spanien und UK und erste Arbeiten im Freien

Mit 16 Jahren zog DAFNE Tree nach Sevilla und besuchte dort zwei Jahre lang eine Kunstschule, bevor sie auf die Universität ging. Dort studierte sie auch griechische Mythologie und war fasziniert von der Geschichte der Daphne. Dieser Name brachte sie auf die Idee ihres Künstlernamens DAFNE, wobei sie Tree hinzufügte, als eine Verbindung zu ihrer Liebe zur Natur und zur Antike. Zu dieser Zeit zeichnete sie in der Kunstschule viele Pastellbilder, vor allem Landschaften, inspiriert von den Impressionisten wie Monet. Im Jahr 2006 lernte sie in Sevilla einen Graffiti Writer kennen, mit dem sie in einem Skatepark und einer Hall of fame am Fluss Zeit verbrachte. Er malte Buchstaben und sie fing an, mit ihm einige Characters und Karikaturen neben seinen Namen zu sprühen. Ein Freund zeigte ihr später ein altes Stadion außerhalb der Stadt, in dem sie malen konnte, und sie begann, von Zeit zu Zeit dorthin zu gehen und zu sprühen.

Von 2008 bis 2013 studierte sie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Sevilla und machte in fünf Jahren ihren Abschluss. An dieser Universität lernte sie Manolo Mesa kennen, einen spanischen figurativen Moralisten, mit dem sie manchmal zum Malen ging und mit dem sie bis heute in Kontakt steht. Die Hochschule für Bildende Künste in Sevilla war eine sehr akademische Hochschule, an der in den ersten drei Jahren ausschließlich Zeichnen gelehrt wurde: menschliche Anatomie, Aktzeichnen, Figuration. In den folgenden Jahren wurden Kurse in Perspektive, Bildhauerei und Modellieren sowie Landschaftsmalerei unterrichtet. Im Jahr 2011 erhielt DAFNE Tree ein Stipendium für ein Jahr an der Winchester School of Art, University of Southampton, in Großbritannien. Sie bekam ein Atelier für Bildhauerei an der Universität, wo sie begann, einen geometrischen Zeichenstil zu entwickeln, Figuren zu minimieren, Formen zu vereinfachen, in einer kantigen, dreidimensionalen, geometrischen, kubistischen Art und Weise figurative Formen zu synthetisieren, mehr seriell zu arbeiten und die menschliche Figur hinter sich zu lassen. 2013 kehrte sie nach Spanien zurück, schloss ihr Studium an der Universität für Bildende Kunst in Sevilla ab und ging direkt zurück nach Großbritannien, dieses Mal nach London. Dort war sie die Zeichenassistentin von Aleksandra Mir, einer internationalen zeitgenössischen Künstlerin, und bereitete mit ihr Projekte für die „Drawing Room Gallery“ vor sowie für eine Ausstellung von Aleksandra Mir im Albertina Museum in Wien.



Inspirationen durch moderne, zeitgenössische Kunst und Style Writing

Während ihres Studiums entdeckte DAFNE Tree moderne und zeitgenössische Künstler, die sie inspirieren, wie Gordon Matta-Clark, Sol LeWitt, Richard Tuttle und einige Land-Art-Künstler wie Robert Smithson. Sie besuchte in London zudem eine Malewitsch-Retrospektive, die einen bleibenden Eindruck auf sie machte. Sie schätzt die dekonstruktivistischen Ideen und Eingriffe in die Architektur von Gordon Matta-Clark, die Arbeiten von Sol LeWitt in situ und Land Art im Allgemeinen, Kunst, die in die Natur eingreift. Sie kannte auch damals schon Arbeiten internationaler Style Writer und schätzt besonders die Arbeiten des niederländischen Writers DELTA. Während ihrer Studienzeit experimentierte DAFNE Tree mit einigen Arbeiten im Freien, mit Holzskulpturen, Installationen in der Natur und in den städtischen Raum. In London spürte sie viele Veränderungen für ihre eigene Arbeit, sie dachte mehr über Räume nach, beobachtete verschiedene Orte und Straßen und studierte Architektur wie brutalistische Gebäude. Und in London begann sie, sich nach Graffiti Pieces und Styles umzusehen, schätzte Arbeiten von NYCHOS und lernte SKYHIGH an der Waterloo Hall of Fame kennen. Sie malte ein paar Mal im Freien und begann 2015 mit dem Schriftzug ihres Namens TREE in einem 3D-Stil. Etwas später verwendete sie zum ersten Mal die Buchstaben für den Namen ERROR, ein ihrer Meinung nach schnell zu malendes Wort/Name, mit strukturellen Buchstaben, und als Anekdote für menschliches Versagen und Verletzlichkeit. Diesen Namen verwendet sie bis heute für Lettering. Ihre Buchstaben liegen manchmal auf dem Rücken auf einer imaginären Fläche, schaffen Raum durch eine transversale Fluchtperspektive oder stehen zusammen wie Volumen einer fiktiven Architektur. Den rechteckigen architektonischen Elementen wie Mauern fügt sie durch zeichnerische Schattierungen Textur und Volumen hinzu, so dass sie wie aus Beton oder Stein zu sein scheinen. DAFNE Tree mag 3D-Buchstaben, weil sie einen Raum um das Werk herum schaffen und die Buchstaben wie architektonische Elemente aufbauen. Das Spiel mit der Räumlichkeit und der Perspektive der Buchstaben setzt sie auch in ihren späteren Werken mit figurativ-abstrakten geometrischen Kompositionen fort, deren Formen an Mauern, grob gemeißelte Steine und antike oder unvollendete Architekturen erinnern.



Orte für ihre malerische Praxis

2015/2016 zog DAFNE nach Valencia, wo sie noch heute lebt und zwischen dort, London und Sevilla pendelt. In Sevilla hatte sie bereits einige Writer Freunde, wie SRGER, die auch mit Writern in Valencia verbunden waren, mit denen sie sich austauschte. An der Taverne Hall of Fame in Valencia und an den Wasserkanalisationen entlang malte sie ab und zu auch mit LAGUNA. In der Umgebung von Valencia entdeckte sie viele Ruinen und verlassene Fabriken, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs war, und begann, an verlassenen Orten zu malen, meistens allein. Auf der Straße malte sie vor allem kleinere Arbeiten mit befreundeten Writern an verschiedenen Orten und in verschiedenen Städten, die sie bereiste. Aber sie war besessen von der Architektur und dem Ambiente der verlassenen Industriegelände, die sie zum Malen betrat. Manchmal habe sie sogar Angst verspürt, sagt sie, mutterseelenallein auf einem riesigen leeren Gelände, wo die Strukturen und die Rauheit der Architektur manchmal bedrohlich wirken, sich ein seltsames Gefühl des Verfalls und der Leere bemerkbar macht, und wo man sich als Mensch durchaus auch klein und verletzlich fühlen kann.



Verarbeitung des romantischen Aspekts von Gebäuden im Verfall

Die meiste Zeit sucht DAFNE Tree nach unberührten Orten, wo noch niemand gemalt hat und wo die die Wände geeignet scheinen, um eine Malerei von ihr aufzunehmen. Sie hat eine Reihe kleinerer kreisförmiger Bilder gemalt, wie Tondos, runde oder elliptische Schatten, die als Hintergrund fungieren, meist in Schwarz, um darauf eine geometrische Komposition zu malen. Die runde Form ist für sie eine Möglichkeit, mit den Gewichten der umgebenden rechteckigen Architektur zu brechen und einen Raum zu schaffen. Im Jahr 2017 begann sie, diese Art von Kompositionen in großen Formaten auf Fassaden verlassener Gebäude zu malen. Der dunkle, runde Hintergrund wirkte wie ein riesiges Loch in der Wand und vermittelt die Vorstellung von Verfall und Zerstörung, und dient als Plateau, um gemalte, schwebende Architekturelemente aufzunehmen, die entweder schon zerfallen, wie Ruinen oder moderne unfertige Bauelemente darstellen. Indem sie eine Verbindung zwischen vergangenen Architekturen und unvollendeten modernen Gebäuden herstellt, scheinen DAFNEs Wandmalereien auf verfallenden Gebäuden aus der Vergangenheit zu stammen, wirken jedoch gleichzeitig modern, teils futuristisch und somit zeitlos. Inspiriert von modernen Ruinen der ländlichen Landschaft Valencias mit ihren Industriebrachen oder der unfertigen Häuser Andalusiens, (dessen Bau nach der Krise 2008 gestoppt und nie fertiggestellt wurden) zeigen ihre Arbeiten Urbanismus im Verfall.



In anderen Arbeiten integriert DAFNE Tree architektonische Elemente alter Zivilisationen, Mauern, die wie massiver Stein aussehen, wie megalithische Dolmen oder römische Ausgrabungsstätten. Sie malt sie oft für ihre Lettering-Pieces und scheinen durch den unfertigen Aspekt der skizzenhaft gemalten Buchstaben aus Stein zu sein. In anderen Wandmalereien vermitteln die Darstellungen von Bauelementen vergangener und moderner menschlicher Zivilisationen die Idee von Zerstörung und sprechen Themen wie Veränderungsprozesse, Entvölkerung und Erinnerungen/Gedächtnis an. Einige Arbeiten erinnern an archäologische Stätten oder Karten für moderne unfertige Baustellen, leicht von oben betrachtet, die den Einfluß architektonischer Zeichnungen eindeutig spürbar machen. Andere Kompositionen sind luftiger, die verschiedenen Elemente sind wie Bausteine mit Abstand oder in einer Reihe gemalt und bilden eine Kette oder ein Netz aus geometrisch abstrakten Formen, die in einem offenen Raum zu schweben scheinen. Ihre Bilder haben den Aspekt geometrisch-abstrakter moderner Malerei, sind aber dennoch auch figurativ. Die Darstellung von Spuren sesshafter Zivilisationen, die sich in einer verlassenen ländlichen Umgebung befinden, sind überraschend, laden zum Verweilen und Entziffern ein. Durch ihre skizzenhafte zeichnerische Darstellung, die Farben und die Platzierung auf der Architektur haben ihre Gemälde einen intervenierenden skulpturalen Aspekt, der sich der Architektur und der Umgebung anpasst, und an Aspekte der Land Art ersinnen. Mit sanftem Zeichenstil und angepassten Farben umgesetzt, schaffen ihre Wandmalereien ein Gefühl von Nostalgie und romantischer Atmosphäre in situ. Indem sie verlassene Mauern mit Malerei besetzt und die meiste Zeit im Freien arbeitet, umgeben von der Natur, beschreibt sie ihre Malerei selbst als eine Art Landschaftsmalerei im Außenraum, die einen Dialog zwischen Malerei und Architektur in ihrer Umgebung erzeugt.



Arbeitsmethoden in situ

Durch die Integration von Elementen der näheren Umgebung, wie der Farbe der Wand, ihrer Textur, der Farben von Dingen drumherum, wird der umgebende Raum Teil des Werks, das letztendlich als Foto einer Arbeit in situ dokumentiert wird. Je nach Farbtönen und Texturen, die sie an dem von ihr gewählten Ort vorfindet, verwendet sie die Komplementärfarben, spielt mit den Elementen des Ortes, kombiniert die Farben und schafft eine Malerei an einem Ort, und eben nicht nur an einer Wand: eine Malerei in einem Raum, ein Werk in situ. Sie verwendet diverse Techniken, mischt ihre Farben mit Wandfarbe mit Primärfarben, arbeitet mit Rolle, Pinsel, Klebeband und zum Schluss mit Sprühfarbe. Oft verwendet DAFNE Tree gedämpfte Farben oder Pastelltöne, in den letzten Jahren aber werden ihre Farben kräftiger und heller. Die Künstlerin macht nie eine Skizze, bevor sie eine Wand bemalt, auch wenn sie ständig in ihre Skizzenbüchern zeichnet. Die meiste Zeit malt sie spontan an Mauern und verlassenen Gebäuden, die sie auf ihren Fahrradtouren findet. Manchmal entwirft sie eine Wandmalerei im Voraus, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs ist und sich eine Idee für den Ort überlegt, nachdem sie ihn besucht und fotografiert hat. Aber, wie sie sagt, selbst wenn man ein Bild im Voraus plant, gibt es immer wieder Änderungen der ursprünglichen Bildidee, wenn man vor Ort malt, weil man unter dem Einfluss des Raumes steht. Zusätzlich zu ihren Arbeiten im Freien arbeitet DAFNE Tree auch in ihrem Atelier in Valencia, wo sie mit Tusche und Aquarellfarben auf Papier zeichnet und diese Arbeiten in Galerien ausstellt. Doch sie sagt, dass sie immer wieder nach draußen gehen muss, um zu malen, nicht nur, um in situ in großem Maßstab an einer Wand zu schaffen, sondern auch, um diese Freiheit beim Malen an verlassenen Orten der Vergangenheit zu spüren.



instagram.com/dafnetree dafnetree.tumblr.com

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

12 − 8 =