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BIMS – Vom 3D-Style zur malerischen geometrischen Abstraktion

, by Katia Hermann

Debüts und das Haus der Träume

Der Franzose BIMS (*1987) wuchs im Süden Frankreichs in der Kleinstadt Prades bei Perpignan auf und interessierte sich schon im Kindesalter für Comic. Es waren vor allem Comics aus Frankreich und Belgien, die er las und es waren die Schriftbilder, die ihn faszinierten. Mit 9/10 Jahren fing er selber an zu zeichnen und ahmte viele Schriftbilder aus Comics ab. Eines Tages entdeckte er ein rotes Tag in seiner Kleinstadt, Ende der 90er Jahre. Dieses Tag beeindruckte ihn durch seine aufdringliche Kraft und Dynamik und er fing an nach weiteren Tags in den Straßen zu suchen. In der Schule fiel er durch seine eigenen Schriftbilder dem Kunstlehrer in der 6. Klasse auf, der ihm Fotos von Graffiti zeigte, die er selbst am Bahnhof von Perpignan fotografiert hatte. Es handelte sich hauptsächlich um 3D-Pieces, wie z.B. von MEZY, die Anfang der 2000er Jahre in Perpignan auftauchten. Diese Graffiti faszinierten BIMS und er wollte sie mit eigenen Augen sehen. Er fuhr also alleine jeden Mittwoch mit dem Zug nach Perpignan zum Hauptbahnhof, um immer wieder neue Pieces dort zu entdecken und genau zu studieren. Zu dieser Zeit fing selber an zu taggen mit seinem ersten Pseudonym SEIZ, eine Abkürzung des Wortes seizure, welches auf Französisch und Englisch Beschlagnahmung aber auch die Pausen in Versen meint. Einer seiner Freunde war ebenfalls von Graffiti fasziniert und mit zwei weiteren Freunden gründeten sie ihre erste Crew HOD (House of dream/Hand of doom). Der Name war eine Andeutung auf das verlassene Haus, das sie entdeckt hatten und wo sie sich regelmäßig trafen und anfingen die Wände zu besprühen. Es war ihr Treffpunkt, ihre eigene Hall mehrere Jahre lang, das Haus ihrer Träume. In einem Presseladen in ihrer Kleinstadt entdeckten die jungen Writer französische Graffiti Magazine, die zu einer großen Inspirationsquelle werden sollten. Dort waren hauptsächlich Pieces von der damaligen aktiven französischen Graffiti-Szene aus den Jahren 2000 bis 2004 im 3D-Stil abgebildet. Vor allem die Crew IMF aus Paris beeindruckte den jungen Writer nachhaltig.



Als SEIZ fing der junge Franzose an sich im Semi Wild Style und im Wild Style mit der Sprühdose auszudrücken. Seine Schriftzüge entwickelten sich über die Jahre zu einem 3D Stil weiter. Bis circa 2008 malte er unzählige Pieces in diesem Stil, den er auch „cubism“ nannte. BIMS hatte damals Kunstbücher von seiner Schwester durchgeblättert, die Kunstgeschichte studierte, und war fasziniert von der Malerei des 20. Jahrhunderts und besonders vom Kubismus, der ihn schon damals für seine 3D Bilder inspirierte. Nach einigen Jahren war BIMS aber vom 3D Stil und Wild Style gelangweilt. Diese Stile im Graffiti waren ihm doch zu sehr durch bestimmte Codes regiert und er fühlte sich somit eingeschränkt in seinem künstlerischen Ausdruck und machte eine Pause von ca 6 Monaten. Er wollte erstmal alles, was er gelernt hatte über Bord werfen, vergessen, um die Buchstabenformen neu zu erlernen, simpler und lesbarer werden zu lassen. In dieser Graffiti Schaffenspause zeichnete er jedoch sehr viel.



Erneuerung nach Sättigung von Namen und Stil

Als er 2007 einen Freund und Graffiti Writer BETIZ in Montpellier kennenlernte, vermittelte ihm dieser seine Liebe zum Buchstaben B. Inspiriert durch die Form des Buchstabens B und durch Lautmalerei aus dem Comic, entstand sein heutiger Writername, auch aus vier Buchstaben, BIMS, den er ab 2008 malte. Durch die Graffiti-Pause und seinen neu erwählten Writernamen veränderte sich sein Stil zunehmend. Er lehnte sich zu dieser Zeit vermehrt an den New York Stil an und malte Character neben seine Schriftzüge. Figürliche Darstellungen sind seit dieser Zeit immer wieder in Serien seiner Pieces bis heute zu finden.



In den folgenden Jahren zog er mehrmals um, lebte 2010 in Rennes, dann in Montpellier und experimentierte viel mit anderen Writern, wie mit seinem Kollektiv „Ghetto farceur“. Diese Crew bestehend aus zehn Mitgliedern (REMS, KURVE, ZEKLO, DEBZA, NEIST, OBAO, ROMI, SUPERPAUME, SWOL(RIP), SKIO, REKULATOR & BIMS), die in verschiedenen Städten wie London, Paris, Montpellier oder Cannes lebten, kamen zwischen 2009 bis 2014 öfter im Jahr zusammen, um gemeinsam große Pieces an verschiedenen Orten zu schaffen. Sie wollten den Wild Style auf die Spitze treiben, arbeiteten mit vielen Farben, großen Formaten und experimentierten mit selbst aufgesetzten Hinderungen, um den Malprozess zu beeinflussen. Darunter fiel z.B. das Malen mit verbundenen Augen, das Malen mit der schwachen Hand oder das nicht aussuchen dürfen der Farben. Man zog Dose nach Dose blind aus der Tasche, ohne zu wissen welche Farbe es war und musste eine ganz leeren, bevor man die nächste nahm, um weiter zu malen, bis alle Dosen in einer willkürlichen Reihenfolge verwendet wurden. Die Writer wurden somit gezwungen auch farblich zu improvisieren. Die Herausforderungen durch die Vorgaben ermöglichten neue Arbeitsweisen, neue Gesten, neue Arten der Linienführung und eine performative improvisierte Arbeit. Die Resultate waren oft sehr überraschend, informativ und öffneten den Writern neue Wege, andere Betrachtungs- und Herangehensweisen, neue Ideen und Konzepte und somit neue Möglichkeiten. Die Crew erfand gemeinsam einen fiktiven Writer namens RKR/REKULATOR, der ihre gemeinsamen geschaffenen Wandbilder unterzeichnete, um die Autorenschaft zu vertuschen und Betrachter in die Irre zu führen. Der Name REKULATOR war eine Anspielung auf das Rückwärtsgehen, in Französisch „reculer“, zurückgehen, zurück zum Anfang, um neu zu lernen. Die gesammelten Erfahrungen durch das Experimentieren mit dieser Crew war für BIMS eine sehr prägende Phase für sein eigenes Graffiti.




Andere Pseudonyme und Comic Hommage

Im Jahre 2012/2013 zog BIMS nach Cannes, dann 2014 nach Niort, wo er einen neuen Freund kennenlernte mit dem er fast zwei Jahre lang herumreiste. 2016/2017 reisten sie nach Mexiko und durch Europa, sie machten auch z.B. Halt in Dresden, wo sie die Güterzüge besonders attraktiv fanden. Nach diesen Jahren des instabilen Lebens, des Herumreisen und des intensiven Trainwriting, setzte sich der damals 30-jährige Writer 2017/2018 in Rennes in der Bretagne nieder, wo er bis heute lebt.




BIMS malt bis heute Bilder in verschiedenen Stilen, die man als Serien betrachten kann. Seine Arbeiten mit Bezügen zum Comic zeigen einzelne figürliche Darstellungen in der Bildsprache und im Stil von bekannten Comic-Zeichnern, die BIMS meisterlich in seine Pieces einfügt. Es sind meist Figuren aus seinen Lieblings-Comics diverser bekannten Zeichner und somit eine Hommage an diese. Sie werden neben seinen Pieces genannt und somit auch gegrüsst. Darunter sind z.B. Chabouté, Hewlett, Burns, Neyef, Peteers und Serge Clerc. Seit 2019 malt BIMS auch ein neues Pseudonym: ARZAK, der Titel des besten Comics des bedeutenden französischen Comiczeichner Moebius, laut BIMS. Das neue Pseudonym mit fünf Buchstaben ermöglicht BIMS wieder neues Experimentieren mit Buchstaben und anonymer im Stadtraum zu arbeiten.




Die ätherischen Bilder: kubistisch geometrisch abstrakt

In Niort, 2016, übernahm BIMS seinen schraffierten Zeichenstil mit Stift auf Papier für seine Graffiti mit Sprühlack. Diesen Stil und die dazugehörige Technik entwickelt er bis heute weiter. Die abstrahierten farbigen Buchstabenflächen seines Namens entstehen aus schraffierten senkrechten Strichen, die er mit Sprühdose zieht. Dadurch entsteht eine bestimmte Textur, die aus dezenten Schraffierungen besteht, und von weitem betrachtet unscharf wirkt. BIMS setzt gekonnt farbige Flächen nebeneinander, übereinander, überlappend, er spielt mit Transparenzen, Farbabstufungen, Schatten und Licht, um den abstrahierten Buchstabenformen und geometrischen Flächen Volumen zu verleihen. Die stilisierten Buchstabenformen erhalten einen skulpturalen Character in einer ausgewogenen Komposition, bilden ein abstraktes kraftvolles Bild aus geometrischen puren Formen, die teils aus der Dunkelheit leuchten und mit Leichtigkeit zu schweben scheinen. BIMS bezeichnet selber diese Arbeiten mit den Schraffierungen als ätherisch.




In den letzten Jahren hat der Franzose Malereien auf großen Flächen mit Sprühlack und Acrylfarbe hervorgebracht, die Harmonie, Ruhe und Kraft ausstrahlen. Die Acrylfarbe setzt der Künstler für den Hintergrund ein und Sprühlack dominiert die Oberfläche. Er schafft durch seine Technik und Komposition ein malerisches Bild mit einer ganz besonderen Textur mit Sprühlack. Unterzeichnet werden die abstrakten Pieces mit seinem Namen, die nicht an sein Tag erinnern sollen, mit einer dünnen Linie gezogen sind es einfache Buchstaben mit großen Zwischenräumen zwischen den Buchstaben. BIMS setzt in diesen geometrisch-abstrakten Arbeiten oftmals direkt unter das Piece einen dünnen Querbalken mit zwei/drei Farben, um der Komposition einen neuen Rhythmus zu geben, um mehr Ruhe reinzubringen, und wie BIMS beschreibt, um das Betrachten leichter und angenehmer zu machen und somit zu verlängern.



In seinen letzten Arbeiten in dunklen erdigen Tönen mit Lichtpunkten durch Highlights, hellen Flächen und Kontrast sucht BIMS nach intensiven Lichtschwingungen mit möglichst wenig heller Farbe. Der Einfluss des Kubismus wird hier spürbar, die Textur durch die Schraffiertechnik und Farbtöne erinnern an Gemälde von George Braque, die Kompositionen mit abgerundeten Formen und Kreisen an Arbeiten von Sonia und Robert Delaunay, KünstlerInnen, die Musik in ihre Malerei einbezogen, und BIMS inspirierten. In vielen seiner letzten Arbeiten liegt eine bestimmte Vibration den Werken inne, ein Gefühl, eine Stimmung, ein Effekt. Der Künstler bestätigt, dass Musik auch eine große Inspirationsquelle für manche seiner Arbeiten ist. Und alle seine Leinwand-Arbeiten entstanden tatsächlich im Atelier zu bestimmten Jazz oder Blues Songs.




instagram.com/sbiiim/

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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