KERA – Frei bleiben, trotz genauer Planung
Die Basis: Style Writing und Drucktechniken
Der in Berlin geborene Künstler KERA aka Christian Hinz (geb. 1985) beschäftigt sich nun seit über 20 Jahren mit Malerei und Drucktechniken. Mit 14 Jahren war es Graffiti Writing, das ihn zum Malen brachte und ihm somit letztendlich zur bildenden Kunst verholfen hat. Über 15 Jahre lang sprühte er Styles mit seinem Namen KERA, doch irgendwann gelangweilt von den Buchstaben, suchte er nach neuen Formen, manchmal figurativer oder abstrahierter, um andere Bilder malerischer zu gestalten. Mit seiner Crew malte er unzählige Konzeptwände in ganz Deutschland und anderen Ländern. Dabei legten sie gemeinsam Wert auf Narration und einigten sich vorher auf ein bestimmtes Thema.
Mit 18 Jahren lernte KERA die Siebdruck-Werkstatt von Frank Senf in Lichtenrade kennen, wo er viele Drucktechniken lernte – seine Liebe zum Siebdruckverfahren entwickelte – und sich sowohl konzeptuell als auch handwerklich ausprobieren konnte. In dieser Werkstatt hatte der Leiter Frank Senf schon ab den 80er Jahren viele Oldschool Writer gefördert und sie ermuntert kreative Wege zu gehen.
KERA entschied sich daraufhin für eine Grafikausbildung im Lette Verein Berlin und konnte seine dort erlernten Kenntnisse in seine Kunst später einfließen lassen. Von 2007 bis 2009 und von 2010 bis 2012 bezog KERA verschiedene Ateliers im Tacheles und arbeitete an Fotografie auf Siebdrucken, schuf Metallskulpturen und malte weiterhin auf Wänden sowie anderen Flächen mit internationalen Künstlern, wie z.B. INTI oder Axel Void. Müde vom Style Writing, griff KERA in seinen ersten abstrakteren klein- bis mittelformatigen Murals auf verschiedenen Festivals vor allem Linien und geometrische Formen auf, die durch den Aufbau als lange horizontale Form noch an Graffiti Pieces erinnern.
Planen, kombinieren und am Ende auch improvisieren
Das Vorbereiten und Collagieren von Linien, Strukturen und Farbflächen am Computer, um sie dann auf Leinwand, Papier und großflächig auf Wände zu übertragen, gehört seit Jahren zu KERA’s Arbeitsweise. Er nutzt somit verschiedene Werkzeuge, um zu einem abstrakt grafischen Resultat zu kommen, das sehr wohl gut strukturiert und vorgeplant ist, jedoch noch Freiräume lässt für kleine spontane Änderungen und Variationen beim Handwerk selbst. Seinen abstrakt-grafischen Stil könnte man als eine Mischung aus Hard Edge Painting, Konstruktivismus und Op Art definieren.
Die Verbindung und der Transfer von digitaler zu analoger Technik reizen KERA besonders. Die Entwürfe seiner Bilder entstehen fast immer am Computer. Er setzt dort klare Raster, die sich manchmal auch überlappen oder fragmentiert werden, generiert somit Flächen, die wiederholt, teilweise verzerrt oder verformt werden, schafft Strukturen und Muster, die fast mathematisch angeordnet scheinen. Die Farbwahl und Farbkombinationen werden ebenfalls am Computer geplant, doch hier lässt sich KERA dann beim Mischen der Farben die Freiheit Töne abzuändern.
In seinen Monotypien, die mittels manuellem Druckverfahren entstehen und daher auch Unikate sind, wiederholt er die Form in einem bestimmten vorgegebenen Raster. Beim Stempeln ist die sich ergebene Struktur oft willkürlich und variiert je nach Abdruck, nach Quantität der Farbe, nach dem ausgeübten Druck und durch die Beschaffenheit des Untergrundes. Es ergeben sich ungeplante Muster, die der Künstler aber wiederum vorher schon als Textur mit einplant und somit spielerisch für seine Bildsprache einsetzt.
KERA’s Anliegen ist es Dynamik und Bewegung in sich wiederholenden festen Strukturen mit einzubauen und ausgewogene Kompositionen zu schaffen. Laut KERA ist aber keine Wiederholung wie die andere, es gibt immer neue Variationen und es entstehen immer neue Bilder mit anderer Wirkung. Sein abstrakt grafischer Stil sowie seine Farbpaletten sind mittlerweile eines seiner Erkennungsmerkmale. Anfangs malte er seine Graffiti Pieces sehr bunt, doch durch seine grafische Ausbildung, Erfahrungen und Weiterentwicklung reduzierte er später seine Palette. Blau ist eine seiner wiederkehrenden Farben, ob gedeckt, dezent, laut oder leise, mal heller, mal grauer, er verwendet besonders gerne das Blau draußen an der Wand, in Anlehnung an das die Farbe des Himmels. Die Kombination blau-grau-gelb verwendet KERA auch immer wieder gerne, meist sogar unbewusst.
Im Studio arbeitet er auf Papier, Holz oder Leinwand mit Acryl- und Lackfarben und entwickelt seit 2017/2018 plastische und objekthafte Arbeiten, mit dem Willen die Zweidimensionalität eines Bildes zu brechen. Er probiert sich spielerisch an neuen Materialien aus, wie z.B. Acrylglas, um Skulpturen zu formen und zu bemalen. Für andere Installationen verwendet er einzelne bemalte Flächen, um sie dann als ein Bild wieder zusammenzusetzen.
Seine Studioarbeiten tragen nie Titel mit Wörtern, passend zu seinem Arbeitsstil werden sie chronologisch durchnummeriert.
Liebend gerne im Freien schaffen
KERA geniesst einerseits insbesondere den Planungsprozess, eine gewisse Sicherheit und Struktur für seine Arbeiten, andererseits malt er am liebsten draußen an der Wand mit dem Unvorhergesehenen, das die Wandmalerei oft mit sich bringen kann. Das Hauptanliegen von KERA ist es hier ein bleibendes Bild im Stadtbild zu schaffen, das auffällt, aber nicht störend wirkt und dem Betrachter ein gutes Gefühl mitgibt. Seit 2012 hat KERA über 100 Wände weltweit bemalt, davon 30 große Murals. In Berlin befinden sich bisher schon vier. Im Durchschnitt realisiert er 12-14 Murals pro Jahr und das ist erheblich. Ob auf Festivals, durch Privatinitiativen oder als Auftragsarbeiten, seine große Leidenschaft ist an der großformatigen Wand im Freien zu malen.
Vor dem Malen achtet er immer auf das, was sich im Umfeld der Wand/ Fassade befindet, welche Farbwelten die Architektur umgeben, um dann seine Farbpalette dementsprechend bestimmen zu können. Er entscheidet sich meist für Farben und Töne, die mit dem Umfeld harmonieren und nicht zu aufdringlich sein könnten. Außerdem möchte er die Architektur mit sichtbaren Elementen wie Fenster, Balkon, Rahmen, Stuck etc würdigen und Teil seiner Kompositionen werden lassen und nicht einfach übermalen. Dies wird schon beim Entwurf mit einkalkuliert. Das Raster des Entwurfs wird auf die Wand in den angepassten Proportionen mit der Hand übertragen oder der Künstler orientiert sich an Linien, die die Wand schon durch architektonische Elemente vorgeben.
Der kreative Prozess, das Finden von praktischen Lösungen für eventuell spontan auftretende Probleme und spontane Anpassungen vor Ort, machen KERA enorm Spaß. Er ist ein unermüdlicher Maler mit unglaublichem Tempo und handwerklichem Geschick und hat die DIY-Mentalität aus dem Graffiti beibehalten. Und nicht nur das, auch der Zusammenhalt, die Hilfsbereitschaft und die Vernetzung mit den KünstlerInnen aus der Szene bleibt bestehen. Und auch wenn KERA heute am liebsten alleine agiert, sucht und braucht er den Austausch mit anderen Künstlerinnen weiterhin und teilt sich auch daher seit Jahren ein Atelier mit langjährigen Künstlerfreunden in Berlin.
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