SAYPE mit BEYOND WALLS in Berlin zum „30 Jahre Mauerfall“
Vom Graffiti Writing zu Land Art über die Malerei, der Sprühtechnik treu
Spraycan, Airbrush und Sprühen mit Hochdruckgerät
Mit 14 Jahren fing SAYPE (geb. 1989)an zu taggen und Graffiti zu sprühen. Das Lettering, die Buchstabenästhetik, legte er nach einer Weile ab und konzentrierte sich auf die Figuration. Er bemalte mit verschiedenen Writern und Künstlern auf Festivals einige Murals und malte zuhause auf kleinen Formaten weiter. Neben seiner Ausbildung als Krankenpfleger investierte SAYPE dann vor allem in die autodidaktische Arbeit im Atelier. Er experimentierte mit Sprühlack auf Leinwand und wechselte zur Airbrush-Technik, die er auch heute weiterhin anwendet. Seine technische Geschicklichkeit führte ihn zum Photorealismus. Landschafts- oder Stadtansichten als Hintergrund, auf die durch eine zusätzliche unscharfe Plexiglasschicht, wie durch eine beschlagene Fensterscheibe geschaut wird, und auf der, wie mit dem Finger in Dunst wie ein Kind gezeichnet, geschrieben oder getaggt wird. Wie der Blick aus dem Auto-oder Zugfenster an einem regnerischen Tag. Manchmal entdeckt man Graffitielemente im Hintergrund. Eine Art optische Täuschung und Hyperrealismus zugleich mit einer romantischen Note. Seine Malerei, die sich auch mit philosophischen Fragen rundum den Menschen und seiner Existenz beschäftigt ist für den Künstler “existentiell”.
SAYPE’s Malerei ist seit mehreren Jahren in Urban Art Galerien vertreten, wie die bekannte Speerstra Gallery in Genf und Paris z.B.. Denn seine Wurzeln, sein Zugang zur Kunst, verdankt SAYPE der Graffiti Kultur. Doch trotz einem gewissen Erfolg in Galerien, reichten ihm seine Studioarbeiten vor ca fünf Jahren irgendwann nicht mehr aus. Aufgewachsen in der bergischen Landschaft im Jura, in Belfort, hat SAYPE einen ganz besonderen Bezug zur Natur und zu den Bergen. Und so kam er auf die Idee mit der Natur arbeiten zu wollen, ohne jedoch seine Sprühtechnik aufgeben zu müssen und entwickelte eine neue Technik, die ihm ermöglicht Wiesenflächen mit unschädlicher Farbe zu bemalen, um großformatige meist in Grautönen gehaltene temporäre Bilder zu schaffen. Seine Rezeptur: eine biologisch abbaubare Farbmischung aus Kalk, Milchenzymen, Kohle und Wasser, aufgetragen mit Hilfe von Hochdruckreinigern. Entwickelt im Garten seiner Mutter, die ihn seit Jahren unterstützt und begleitet. Die Farbe wächst nach circa 3 Wochen wieder raus, hinterlässt keine Spuren und schadet dem Gras und Boden nicht. Dank der Dronen-Technik kann man seine monumentalen Fresken aus der Vogelperspektive bewundern. Es entsteht somit temporäre Land Art monumental, die nur durch die Fotografie leben kann und in ihrem Kontext der Natur, in dem Tal, neben Wäldern, neben Gewässern, in Parks in der Stadt von oben betrachtet, ihre ganze Schönheit entfalten, poetische Bilder und eine Art „Landschaftskunstfotografie “ schafft.
A giant biodegradable landart painting by French-Swiss artist Saype is pictured in Treptower Park, Berlin, Germany, Saturday, November 2, 2019. This fresco and a second one in a neighboring park have a combined surface of over 3000 square meters and were realized using biodegradable pigments made from charcoal, chalk, water and milk proteins. These art pieces are the fourth step of the worldwide project „Beyond Walls“ aiming at creating the longest symbolic human chain around the world promoting values such as togetherness, kindness and openness to the world. (VFLPIX.COM /Valentin Flauraud)
Positivismus und Solidaritätsaufruf
Seit einigen Jahren lebt SAYPE nun in der Schweiz, wo er in der Berglandschaft experimentieren und viele Werke umsetzen konnte. Seine Motive der Fresken sind sehr unterschiedlich. Ob spielende Kinder, ältere Männer oder aktuell die sich haltenden Hände. Fotografisch figurativ erhalten sie durch die reduzierte Farbpalette und den Stil einen „modern-antiken Character“.
2016 war ein Schlüsseljahr für seine Arbeit, er realisierte die größte biologisch abbaubare Arbeit auf Gras in den Schweizer Alpen: 10.000m2 und ein medialer Erfolg.
SAYPE merkte aber auch schnell, dass ihm die Schönheit der Bilder nicht ausreicht, sondern, dass er mit ihnen positive Gedanken und Botschaften verbreiten möchte.
In Genf realisierte er 2018 „Message for the future“ ein großes Bild eines sitzenden Mädchens, die ein 15 m großes Papierschiff in den Genfer See lässt. Dieses Projekt realisierte er zusammen mit der ONG SOS Méditérannée, die das Rettungsschiff Aquarius für die Seenot von Flüchtlingen unterstützte. Durch das Bild wurde etwas Hilfe aus der Schweiz in Gang gesetzt, was dem Künstler Hoffnung gab und ihn zu einer neue Idee verhalf : Eine bildliche Menschenkette rundum den Globus zu malen, als Solidaritätsaufruf, das Projekt BEYOND WALLS.
Mit dem Motiv der sich haltenden Händen, als Zeichen der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung und Zusammenhalt, die er von tausenden Menschen fotografiert hat – ob von Promis, Freunden, Kollegen oder Unbekannten – nimmt er dann auf Grautöne reduziert als Vorbild für das nächste monumentale Bild. Zuordnen kann er die Hände dann aber nicht mehr, sie werden anonym und stehen symbolisch für den Menschen und für Solidarität, die in der heutigen Welt besonders wünschenswert ist.
Anfang 2019 wurde SAYPE von der renommierten Zeitschrift Forbes zu einer der 30 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt im Bereich Kunst und Kultur unter 30 Jahren gewählt. Nun ist er 30 Jahre alt geworden und startet eine lange Reise.
2019 : Paris, Andorra, Genf und dann Berlin
Nach Paris, auf dem Champ de Mars neben dem Eifelturm, mit sieben Fresken im Juni 2019, ging das Projekt nach Andorra und Genf bevor es dann doch pünktlich zum „30 Jahre Mauerfall“ in Berlin realisiert werden konnte.
Die Urban Spree Galerie in Berlin hatte SAYPE auf einer Kunstmesse in Frankreich Anfang des Jahres auf die Idee gebracht BEYOND WALLS zu den Feierlichkeiten der Stadt anzubieten. Es sollte dann allerdings vier Monate dauern bis ein Bezirk in Berlin zusagte, obwohl das Projekt vom Künstler finanziert war und vom Senat mit Brief unterstützt wurde. Grün Berlin GmbH für den Gleisdreieck Park verneinte nach Wochen. Für den Bezirk Mitte musste bei der Kunstkommission im öffentlichen Raum ein Antrag gestellt werden, der nicht mehrheitlich von einer unbekannten Jury angenommen wurde, und nach fünf Wochen Wartezeit eine negative Antwort gab. Der Grünstreifen an der Gedenkstätte Bernauer Straße und Schöneberg für zwei kleine Parks sagten ebenfalls ab.
Kurz vor Ende Oktober 2019 sagte dann der Bezirk Treptow-Köpenick zu und die Senatsverwaltung für Kultur und Europa förderte das Projekt. Das Bezirksamt schlug SAYPE als Alternative für den Treptower Park (den SAYPE sich anhand von Luftaufnahmen aussuchte) den Standort Schlesischer Busch vor, auf dem ehemaligen historischen Todesstreifen. SAYPE entschloss sich sofort beide bemalen zu wollen. Nach der Zusage, fuhr er sofort am nächsten Tag mit seiner Mutter und Assistenten aus der Schweiz mit seinem Equipment los. In Berlin wurde dann in 24h ein keines Helfer-Team zusammengestellt und schon am nächsten Tag malte SAYPE im Treptower Park die 2000m2 große Freske in zwei Tagen mit dem Wasser aus der Spree. Die 1000m2 große Freske am Schlesischen Busch entstand an nur einem Tag mit dem Wasser aus dem Kanal. Am 5.11. wurde die Freske der Presse und dem begeisterten Bürgermeister von Treptow-Köpenick präsentiert. Die offiziellen Dronenfotos wurden dann herausgegeben und gingen bisher durch 100 Medien 100.000 Mal um die Welt.
DIY – Mentalität
SAYPE’s Land Art ist gar unsichtbar, unfassbar vom Boden aus gesehen. Man erkennt nur dunkle Umrisse und helle Flächen auf der Wiesenfläche. Mit seinem Sprühgerät schafft er es auf großer grober Fläche feinste Schattierungen mit weiß, schwarz und drei Grautönen zu zaubern wie kein anderer Künstler. Nur er beherrscht das Rezept und die Technik. Er gilt als Urban Art und Land Art Künstler zugleich und man spürt, dass SAYPE’s Wurzeln in der Arbeitsweise in der Graffiti Kultur liegen, mit einer gewisse DIY-Mentalität: draußen malen, Sprühtechnik beherrschen, experimentieren, Werkzeuge selbst bauen/umfunktionieren, schnell und gut auf großen Flächen arbeiten und natürlich immer größere Bilder schaffen wollen, Menschen erreichen und Anerkennung schöpfen.
SAYPE realisierte gleich zwei wunderbare temporäre Kunstwerke zum „30 Jahre Mauerfall“ mit dem Symbol für mehr Solidarität und Zusammenhalt, zwischen Ost-und West und über Grenzen hinweg. In 2020 reist der Künstler weiter mit BEYOND WALLS nach Burkina Faso, die Städte Rom und NYC sind im Gespräch wie noch viele mehr, denn die Planung dieses jungen, dynamischen in groß denkenden Künstlers ist es, drei bis vier Jahre mit BEYOND WALLS in Städten und diversen Landschaften sein Symbol zu hinterlassen.
Credits
Fotografie:
Kevin Schulzbus // @kevin_schulzbusy
Valentin Flauraud // VFLPIX.COM
Text:
K. Hermann
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