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German Urban Pop Art

, by Katia Hermann

Umfassende Solo Show von Thomas Baumgärtel in Köln

GERMAN URBAN POP ART hat der Künstler Thomas Baumgärtel, als Bananensprayer bekannt, seine aktuelle Einzelausstellung genannt. Die industrielle Halle 64 im LESKANPark in Köln-Dellbrück mit einer Fläche von 2.500 m2 wurde ihm hierfür speziell zur Verfügung gestellt.

Sie beherbergt nun bis Anfang November 2019 ca 300 Werke, davon 50 in situ entstandene Arbeiten. Die umfassende Ausstellung gibt Einblicke in das Schaffen des Künstlers seit 1986 und ist zugleich Retrospektive, Happening, Experimentierfläche und work in progress. Zusätzlich ist ein 416-seitiger Katalog im Wienand Verlag Köln erschienen.

GERMAN URBAN POP ART, der Titel der Ausstellung, klingt nach einer thematischen Gruppenausstellung. Warum also dieser Titel für eine Solo Show? Unter den weltweit bekannten stencil artists/Schablonen-Künstlern wie der Brite Banksy oder der Franzose Blek le Rat, wollte sich Thomas Baumgärtel selbst identifizieren und beschreiben: als deutschen stencil artist, weiterhin im urbanen Raum aktiv und stilistisch im Pop Art zuhause.


Das Motiv Banane

Als junger Mann vollzog Thomas Baumgärtel seinen Zivildienst in einer katholischen Klinik. Dort hingen in jedem Patientenzimmer Kreuze an den Wänden. Eines Tages fand er ein heruntergefallenes Kreuz auf dem Boden, nagelte seine Frühstücksbanane daran und hing es wieder an die Wand. Die Reaktionen auf seinen Streich waren unterschiedlich, doch eines wurde ihm klar: Er genoss das Hervorrufen von Emotionen durch seine Kreation und war ab da an entschlossen Kunst machen zu wollen. Und die Banane sollte in seiner Karriere eine bedeutende Rolle dabei spielen.

Während seinem Psychologie- und Kunststudium an der Fachhochschule Köln (Meisterschüler bei Franz Dank), besuchte er Anfang der 80er Jahre Paris und entdeckte im Stadtraum die Schablonen-Arbeiten des französischen Pochoiristen Blek le Rat. Die Arbeiten des „Sprayers von Zürich“, Harald Naegeli, kannte er bereits und lernte ihn später persönlich kennen. Die Schablonentechnik fasziniert Baumgärtel und 1986 fertigt er seine erste Bananenschablone an. Damit sprüht er in mehreren Städten das Bild einer senkrechten Banane, selbstermächtigt an Orte für die Kunst, neben Türen oder Fensterscheiben von Galerien, Projekträumen, Sammlungen. Die Banane als Qualitätssymbol, wie die Sterne für ein Restaurant oder ein Hotel, markiert Orte für Kunst weltweit und so wird das Motiv der Banane zu seinem Markenzeichen. Bis heute ist sie ein angesehenes Qualitätssymbol für Kunstorte, auf das die Besitzer stolz sind. Manchmal wurde sie sogar gefälscht. Eine Institution machte jedoch Ärger, nachdem das Stencil der Banane über Nacht an der Fassade auftauchte: das Museum Ludwig in Köln.

Ab Ende der 80er Jahre sprühte Thomas Baumgärtel auch Sprüche mit der Banane in den Stadtraum, spielerisch und provokativ und wurde zu einem der ersten Street Art-Künstler in Deutschland. Er lernte durch die Arbeit auf der Straße auch andere Künstler und Graffiti Writer kennen. Doch neben der Aktivität im Stadtraum produziert Baumgärtel ebenfalls viele Werke im Atelier. Auch hier fließt das Motiv der Banane in seine Atelierarbeiten mit ein, als Muster, als kleines Element, als abstrahierte Form, als Spraygramme oder im Bananenpointillismus, als Hauptmotiv auf Leinwänden, Papierarbeiten, auf Gegenständen und Plastiken, auf Mobiles oder Installationen.


Sozialkritik und ziviler Ungehorsam mit Humor

Doch dem Bananensprayer geht es nicht um die Banane, sondern um Kunst mit Botschaft. Durch sein sozialkritisches und politisches Bewusstsein prangert er mit den Mitteln seiner Kunst Missstände an, handelt im Namen der Freiheit der Kunst oder für demokratische Rechte durch provokante Bilder. Kunst, die auf Auseinandersetzung drängt, die die Öffentlichkeit sucht und auf der Straße dem wahren Leben ausgesetzt ist. Sein ziviler Ungehorsam und sein Sinn für herausfordernden Witz trieben ihn dazu, seine Kunst an Wänden im Stadtraum anzubringen oder auch wie z.B. am hellichten Tag im Jahre 1993 Wolf Vostel’s Skulptur „Ruhender Verkehr“ von 1969, mit Bananen anzumalen. Dieser Akt des Übermalens, gefiel dem Fluxus-Künstler Vostel wohl gar nicht und die Skulptur sollte schnell gereinigt werden. Aus Protest kampierte Baumgärtel mit Freunden und Passanten eine Woche lang auf der Betonskulptur. Denn als Fluxus-Künstler, dachte sich Baumgärtel, müsste Vostel schließlich mit Aktionskunst und mit Veränderung von Kunst im öffentlichen Raum umgehen können.

1998 setzte der Kölner Künstler ohne Genehmigung eine halbe überdimensionierte Bananenskulptur in das Hauptportal des Kölner Doms, die dann aber sehr schnell wieder abmontiert werden musste.

Seine großformatigen Leinwände mit Portraits von Politikern zeigen oft durch das Werkzeug Banane einen gewissen Sarkasmus. Besonders provozierend das Schablonenbild von Erdogan mit einer Banane im Po, „Türkischer Diktator“ von 2018, ist hier wohl am bekanntesten, weil es auf einer Kunstmesse für einen Eklat sorgte oder auch Trump mit in den Mund gestopfter Banane.


Nicht alles Banane!

Die Auseinandersetzung mit Diktaturen und Autokratien oder der Klimakatastrophe ist in seiner Solo Show ein zentrales Anliegen : Eine alte DDR-Rangierlok in der Mitte der Halle hat den Spruch „Bahnfahren ist Klimaschutz“ verpasst bekommen. Eine gelbe Tonne mit CO2 Muster steht auf einem Wagen. Ein alter Kaugummiautomaten wurde in einen Mini-Bomben-Automaten mit Portrait-Aufkleber von Trump verwandelt. Der Premierminister des Vereinigten Königreichs Johnson lugt mit angeekelter Grimasse aus einer ICE-Tür und die Queen Elisabeth ist mit Bananenkrone einmal mit, und einmal ohne blauem Auge auf einer Leinwand abgebildet. Der Spruch „Stay with us“ in der UK-Fahne im Hintergrund verweist auf den bevorstehenden Brexit. Aktivisten werden hier geehrt, wie durch ein großes Portrait von Greta. Das Motiv der Banane verschwindet hier fast, sie ist nur noch kleines Mustermotiv im Hintergrund.

Doch nicht alle Arbeiten sind provokant oder zeigen Bananen. So überrascht z.B. eine Gruppe von Schablonen-Portraits von Frauen auf zusammengepressten Metallfässern. Portraits seiner Ex-Freundinnen, wie er sagt “ in die Tonne gekloppt“. Oder seine Leinwände im Grisaille-Stil/Graumalerei von Kölner Stadtansichten und dem Dom. Schwarzweiße Schablonen-Arbeiten mit Werkzeugmotiven auf Ledersitzen erinnern an Fotogramme. Neue großformatige Papierarbeiten zeigen Stadtansichten, gemalt auf Rückseiten von aus dem Stadtraum entfernten Werbeplakaten. Die dort natürlich entstandenen Abdrücke von Ziegelsteinen und Gemäuer, die Spuren der Zeit im Stadtraum, bilden hier einen wunderbaren Hintergrund für die neuen Stadtbilder aus der Hand des Malers.


Die Werke des Bananensprayers sind vielschichtiger als man glaubt, auch wenn die gelbe Farbe – das Cadmium Yellow der Sprühdose – und das Motiv der Banane zu dominieren scheinen. Diese große rückblickende Einzelausstellung von Thomas Baumgärtel zeigt abwechslungsreiche Werke. Diverse Mal-Techniken, unterschiedliche Formate, Schablonenkunst auf verschiedenen Gegenständen und Materialien, aber auch Plastiken, Installationen und works in situ sind vertreten. Neben den vielen Ausdrucksformen des Künstlers, werden dem Besucher die Anliegen, die Themen, die den Künstler zum Schaffen bewegen, bewusster. Auffallend ist die fortwährende Experimentierfreude, ist der Wille spielerisch zu provozieren – eben auch mit dem sich wiederholenden Motiv der Banane – frech und mit Humor und das schon seit über 30 Jahren.


Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln.

In Kooperation mit Galerie 30works, Köln und dem Kölnischen Stadtmuseum.

Die Ausstellung läuft bis 3. 11. 2019 und ist nur nach Anmeldung zu besuchen unter: office@bananensprayer.de


Fotoaufnahmen gemacht während der Eröffnung 15. September und Besuch am 8. Oktober

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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