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David Bloch Gallery in Marrakesch

, by Katia Hermann

Zeitgenössische Kunst und Wurzeln in der Graffitikultur

Nach einem telefonischen Gespräch am 12.02.2019


Paris und Marrakesch

David Bloch wuchs in Paris mit der zweiten Generation der Graffiti Writer Ende der 80er Jahren auf, er war selbst einige Jahre Writer und gut vernetzt in der damals boomenden Szene. Als Entrepreneur zog er 2008 nach Marrakesch und entschied sich aus Leidenschaft dort im Stadtteil Gueliz 2010 eine Galerie zu eröffnen. Anfangs stellte er Künstler aus, die er aus der Pariser Graffitiszene persönlich kannte, und die sich in der Post-Graffiti-Era künstlerisch für die Malerei entschieden hatten. Viele international aktive Künstler stellten in seinen 150m2 großen modernen Räumlichkeiten temporär aus. Damals gab es nur 5- 6 Galerien mit lokalen, eher traditionell arbeitenden Künstlern in Marrakesch. Rabat oder Casablanca waren damals wohl schon besser bestückt mit Galerien für junge internationale Kunst. Marrakesch entwickelte sich jedoch in den letzten 10-20 Jahren zu einer angesagten Stadt, sowie auch der Sektor des Luxustoursimus. Durch eine Biennale, Kunstmessen und einem Street Art Festival ist zeitgenössische Kunst nun sehr präsent in der marokkanischen mittelalterlichen Stadt. Neben den Sammlern und Käufern, die in die Galerieräume kommen, ist das Online-Geschäft ein wichtiger Anteil des Kunsthandels geworden und auch für David Bloch bedeutet er etwa 20% seines Umsatzes.


Etablierte und junge Talente

In seinem Programm führt die David Bloch Gallery heute bis zu 28 Künstler, darunter hat der Großteil seine Wurzeln im Graffiti Writing, heute meist Urban Art Künstler genannt. Bloch vertritt einige international bekannte Künstler, wie z.B. Carlos Mare aka Mare139, ein aus New York stammender Pionier, der als erster Writer lettering styles in die skulpturale Form brachte. Oder der figurativ arbeitende Alëxone Dizac, sowie Mist, L’Atlas und Tanc aus Frankreich, die weltweit in mehreren Galerien vertreten sind. Neben fünf bis sieben etablierten Künstlern unterstützt Bloch vor allem lokale Maler, die eine kalligrafische Handschrift in ihre lyrisch abstrakte Malerei einfließen lassen, wie Larbi Cherkaoui oder Mohamed Boustane, sowie junge aufkommende Talente. Die Franzosen Arthur Dorval und L’Outsider gehören zu den jungen abstrakt arbeitenden Künstlern. Während der jüngste unter ihnen, Arthur Dorval, geometrische farbige Bilder malt, formt L’Outsider mit schwarz-weiß Kontrasten und Graustufen grafische Kompositionen. Erste Ansätze gab es schon in seinen ehemaligen schwarz-weiß Pieces auf Mauern, doch hier in seinen Atelierarbeiten befreit und verabschiedet er sich vom Alphabet, wie die meisten ehemaligen Writer. Die Galerie vertritt seit 2013 auch den in Berlin lebenden, französischer Künstler Jaybo Monk, ein Veteran unter den Aktivisten und kreativen Unternehmer in der Graffiti- und HipHop Kultur West-Berlins. Seine collageartige Malerei aus figurativ poetischen Motiven, abstrakten Elementen und Farbflächen, inspirierte viele Nachwuchskünstler.


Authentizität

David Bloch schätzt neben der Kunst seiner Auserwählten vor allem authentische künstlerische Positionen und den Menschen hinter dem Künstler. Die Kunst muss ehrlich sein und aus dem Bauch kommen, die Zusammenarbeit entwickelt sich auf menschlicher Basis und soll über längeren Zeitraum bestehen. Spekulativ arbeitet der Galerist nicht. Mitläufer, die plötzlich auftauchen und „Urban Art“ produzieren, weil es Trend ist, jedoch keine spontane Kunst im öffentlichen Raum über Jahre praktizieren, haben bei ihm so gute wie keine Chance. Talent und street credibility muss hier schon gegeben sein. Graffiti sollte, laut Bloch, auch nicht als Piece oder Tag wie an einer Mauer auf die Leinwand wandern, sondern sich in einem künstlerischen Prozess transformieren. Graffiti auf Leinwand, Sprühdoseneffekte, poppige Motive und Cartoon Caracter, Bilder, die viele Käufer finden und Menschen meist unter Street Art einordnen, entspricht überhaupt nicht seinem Geschmack.


Kritische Entwicklung in der „Urban Art“ und Begriffsproblematik

Bloch ist kritisch gegenüber der Entwicklung des Marktes der so genannten Urban Art. Nebenwirkungen wie Spekulation, Massenproduktion von gefragten Künstlern, die zu Betrieben werden und Vereinnahmung sind einige. Er freut sich zwar über den wachsenden Kunstmarkt, führend in Frankreich, doch es gibt einige Kollateralschäden für „Post-Graffiti-Kunst“ (für ihn der angemessenste Begriff, weil er somit die Graffiti-Ära einer künstlerischen Laufbahn beendet und eine neue im Atelier ankündigt). Die Begriffe Graffiti, Street Art oder Urban Art werden heute willkürlich verwendet, übernommen, besetzt, die Kunst und Kultur eignen sich Menschen an, die oft wenig Kenntnisse und das nötige Fundament mitbringen. Diese Vereinnahmung geschieht meist mit Profitabsicht. Bloch spricht hier sogar von Vergewaltigung einer Kultur. Sie wird verwertet, medial angewandt, kommerzialisiert, kopiert und somit auch teilweise enteignet und falsch vermittelt. Somit erfährt sie zwar einerseits ein kommerziellen Hype, andererseits jedoch eine Abwertung auf künstlerische Ebene. Und in der globalen zeitgenössischen Kunstwelt wird auf die Kunstformen, die einst auf der Straße entstanden, immer noch lächelnd herabgeschaut. Was diese Kunstwelt eventuell noch nicht begriffen hat, ist, dass diese unter mehreren Begriff lebende Kunst nicht nur eine Form und Ausprägung hat, sondern so viele Stilrichtungen, Techniken und konzeptuelle Ansätze beinhaltet, extrem vielseitig ist, wie keine andere globale Kunstbewegung. Aus diesen Gründen bleibt die Begriffsfindung so schwierig. Zudem geben sich viele Protagonisten nicht mit einem Begriff zufrieden, weil sie aus verschiedenen Szenen kommen und mit anderen Ansätzen arbeiten, daher sind sie sich meist uneinig. Aber klar ist, dass Graffiti Writer nicht Street Artist genannt werden wollen. Als Phänomen lebt die Kunst im urbanen Kontext glücklicherweise unabhängig weiter, entwickelt sich fort und existiert vor allem weiterhin autark, im Untergrund, fern von allem Kommerz.

http://www.davidblochgallery.com/

Carlos Mare -#001 STUDY CROSSING PATHS ATLAST-, 2015, Sculpture pannel composites aluminium, 145 x 105 x 11 cm ©David Bloch Gallery
Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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