The WALL+ im Hamburger Gängeviertel
Ein Mural-Projekt aus den Federn der Zonenkinder.
Stellt euch bitte kurz vor. Wer sind die Zonenkinder und was macht euch aus?
Wir sind CAROLÏN LØVE und PHILIPP, sind ein Künstler*innen-Duo, das als Hybrid agiert: Zwei Systeme, die in einem ständigen Prozess der Veränderung und Transformation ineinandergreifen und ein Ganzes bilden. 2-in-1: Two Artists – One Vision & Œuvre. Die Zonenkinder stehen für kreative Zusammenarbeit in vielfachen Formen und an vielen Orten. Unsere Werke entstehen immer im Dialog und in einem Spannungsfeld aus Planung und spontaner Kreativität. So bringen wir in einem fortlaufenden Experiment unsere so unterschiedlichen Styles und Herangehensweisen zusammen.
Unsere gemeinsamen Werke – ob im Wald, Atelier oder auf der Straße – entstehen mit einer Faszination für das Unkonventionelle und durch das Knüpfen von Verbindungen und Netzwerken wie z.B. das Treeproject als eine Verbindung zwischen Urban Art und Environmental Art.
Unsere Reise begann mit Graffiti. Gestartet mit Schriftzügen und der ein oder anderen inoffiziellen Aktion, hat sich im Laufe der Zusammenarbeit der gemeinsame Style geformt und transfomiert, bis wir anfingen, ausschließlich figurativ zu arbeiten und dabei auch die ein oder andere Geschichten zu erzählen: poetic Graffiti haben wir das mit einem Augenzwinkern genannt. Hinzu kamen in situ installative Arbeiten.
IN-BETWEEN. Unser eigener Fokus liegt darauf, Zwischenräume zu erforschen und sichtbar zu machen. Was passiert zwischen zwei oder mehr Objekten im Raum, zwischen Individuen im Moment der Begegnung? Wir sind Grenzgänger*innen, die Verknüpfungen und Verbindungen herstellen oder sichtbar machen möchten. Dieser Raum des Unbekannten ist für uns nicht nur ein kreativer Spielplatz, sondern auch ein Ort des Dialogs.
Für uns zählt nicht nur das fertige Werk, sondern auch der Moment, in dem es entsteht: das Malen an der Wand, das Experimentieren mit Raum und Material, das Teilen von Ideen. Wir sehen Kunst als etwas Lebendiges, als etwas, das weltweit verbinden kann.
Mit unseren Projekten, wie „Sketch Corner“, Workshops, Ausstellungen, Lectures, Performances und Painting Aktionen sowie auch mit the WALL+, wird erfahrbar, dass Kunst lebendig, zugänglich und offen für jede*n sein kann, sofern man sich entschließt, Teil dieser Reise zu sein.
Wie kam die Idee zu „ the WALL+ “ und welche Bedeutung hat die Wand selbst? Gibt es eine besondere Geschichte oder Idee dahinter?
Graffitis sind wie Tauben ein Teil der Straße und unseres städtischen Lebens, – es ist einfach da in seiner ganzen Bandbreite, egal ob erwünscht, geliebt oder gehasst. Doch wird dieser kreative Ausdruck kuratiert, bekommt das Graffiti plötzlich einen anderen Status.
Während der Corona-Zeit wurde deutlich, wie wichtig Kunst und Kultur für uns sind. Damals, als Museen, Galerien oder kulturelle Betriebe geschlossen waren, war die Kunst auf der Straße noch immer da – frei zugänglich, lebendig und kreativ.
the WALL+ ist ein transdisziplinärer Experimentierraum. Seit Mai 2024 gibt es hier Aktionen von Künstler:innen, die den Facettenreichtum der heutigen Wandmalerei im öffentlichen Raum zeigen, neue Horizonte eröffnen und dabei die Begegnung zwischen Publikum und Künstler:innen fördern. Ein Ort der Begegnung und Kommunikation. Hier sollen Subkultur, Kunst, Malerei, Architektur und auch gesellschaftlich relevante Themen aufeinandertreffen.
Ein Highlight ist die Location der ersten the WALL+ selbst: im Gängeviertel in Hamburg. Ein ganz besonderes und charmantes Gebilde aus Menschen, Tieren, Gebäuden, Visionen, Engagements, Träumen, ein buntes und diverses Raumschiff, das inmitten der abweisenden Fassaden gelandet ist. Manchmal vielleicht edgy, aber genau das macht diesen Ort auch so lebendig – ein Symbol der Stadt für das Kreativ-Unkonventionelle, des Infragestellens des Status Quo und des Dialogs.
the WALL+ als kuratiertes Format fordert mit ihren außergewöhnlichen Maßen (10 m x 2,50 m) Künstler*innen heraus neue Ansätze zu entwickeln. Passend zur offiziellen Eröffnung des frisch sanierten Speckstrassen-Hauses im Gängeviertel wurde im Frühsommer die neu installierte the WALL+ Hamburg vom ersten Gastkünstler mit seiner neuen Perspektiven des Graffiti bespielt: der StyleWriter und Graffiti-Purist N.O.Madski, Vertreter der “Kryptograff”-Bewegung, dessen Werke zwar an Graffiti erinnern, aber die Grenzen zwischen Subkultur und Kunst schon lange unter dem Credo „Graffiti muss lebendig bleiben“ durchbrochen haben.
Seit Anfang Dezember 2024 ist im Gängeviertel eine neue Arbeit vom Künstler OFFBEAT zu sehen. Er verbindet gekonnt, seine Visionen als Architekt mit dem künstlerischen Schaffen und bindet stets den konkreten Ort in sein Werk mit ein. Aus dem Interview mit OFFBEAT: „Das Gängeviertel ist für mich ein Symbol dafür, wie gesellschaftliches Engagement Mehrwert für die Gemeinschaft schaffen kann. Hier wird nicht nur bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum geboten, sondern auch kulturelle und soziale Projekte werden aktiv gefördert. Solche Orte sind in der heutigen Stadtentwicklung leider nicht selbstverständlich. In meinem Werk greife ich die Architektur des Gängeviertels auf – also die Formensprache, in der diese wichtigen gesellschaftlichen Funktionen sichtbar werden. Der Erhalt von Bestandsgebäuden und ihre Ergänzung durch soziale Nutzungen sind für mich zentrale Themen, die sich in meiner Gestaltung widerspiegeln. Das Gängeviertel ist ein Vorbild für modernes, nachhaltiges Bauen, und genau das möchte ich in meinem Werk betonen. (…) Bei the WALL+ integriere ich dessen Architektur sowie soziale Bedeutung in das Wandbild. (…) Ich möchte mit meinen Werken positive Impulse setzen und Werte wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit fördern. Meine Arbeiten sollen Symbole sein, die Menschen bei der Gestaltung einer besseren Zukunft inspirieren und bestärken. (…)“ (gesamtes Interview auf irieites.de)
Nach welchen Kriterien wählt ihr die Künstler*innen aus?
Wir sind ein Kurator*innenteam von derzeit vier Personen im Gängeviertel und interessiert an Künstler*innen, die mutig sind und Lust zeigen, neue Wege zu gehen und denen es weniger um Perfektion geht als um Dedication, gute Energie und Ehrlichkeit. Wir lieben Styles und Arbeiten, die sich am Tellerrand von Graffiti bewegen bzw. darüberhinaus gehen und interdisziplinäre Verbindungen schaffen. Der Grundbeat sollte im Graffiti liegen, aber uns fasziniert es, wenn sich in der Melodie Verbindungen zu anderen Disziplinen ergeben: Malerei, Grafikdesign, Architektur, Installation oder Performance. Wenn die Arbeiten eine Botschaft tragen, die über die bloße Ästhetik hinausgeht oder Themen wie nachhaltige Architektur, kulturelle Vielfalt bespielt und reflektiert, begrüßen wir das.
Was ist euer langfristiges Ziel mit „ the WALL+ “? Möchtet ihr damit bestimmte Communities oder Themen in den Fokus rücken?
Mit the WALL+ möchten wir neue Horizonte eröffnen, indem wir mutige, außergewöhnliche und interdisziplinäre Arbeiten fördern und Graffiti/Urban Art feiern – denn diese machen die Szene lebendig.
the WALL+ soll als interdisziplinärer Experimentier- und Begegnungsraum neue Formen des künstlerischen Ausdrucks der zeitgenössischen Wandmalerei fördern, interessierte Menschen vernetzen und positive Energie in diese globale Kultur- und Kunstbewegung und das kulturelle Leben zurückzugeben.
Es geht darum, neue Räume für kreative Freiheit zu schaffen und Kunst dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird, unkommerziell und im öffentlichen Raum. Transformationsprozesse im Graffiti/Urban Art sollen sichtbar gemacht werden. Das ist aber nur der Rahmen, inhaltlich und bildlich setzen die Künstler*innen ihre Styles und Themen.
Wie wird die Wand und das Projekt finanziert? Gibt es Förderer oder Sponsoren, die euch unterstützen?
Die Finanzierung wird aus einer Mischung von öffentlichen Fördermitteln, privaten Sponsoren und Unterstützung aus der Community bestehen. Denkbar sind alternative Finanzierungsansätze wie Crowdfunding. Aktuell befinden wir uns noch im Aufbau und in der Vernetzungsarbeit, setzen erstmal auf transparente Kommunikation und ehrenamtliches Engagement, um die ersten Schritte zu meistern. Wir hatten mit den ersten Künstlern auch das Glück, dass sie sich als Teil des Projektprozesses aufgeschlossen und solidarisch gezeigt haben, die Vision von the WALL+ mit ihrer künstlerischen Arbeit zu unterstützen und dieses mit uns gemeinsam in Gang zu setzen.
Doch ist uns wichtig: Kunst hat einen Wert, auch wenn sie im öffentlichen Raum entsteht! Künstler*innen sollen in Zukunft fair honoriert werden.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft von „ the WALL+ “? Gibt es Pläne, das Konzept auszuweiten oder neue Ansätze zu verfolgen?
Unsere Vision für the WALL+ ist es, noch mehr Menschen für die neuen Spielarten der Urban Art zu begeistern. Wir wünschen uns, dass das Projekt wächst und sich weiterentwickelt, ohne dabei seine Wurzeln zu verlieren.Wir planen derzeit, weitere Wände für die the WALL+ Vision zu akquirieren und mit anderen Urban Art Aktivist*innen und ähnlichen Projekten zu kooperieren und sind hier bereits im Austausch mit einer Hamburger Galerie, vielleicht wird es the WALL+ bald sogar in anderen Städten geben, Palma de Mallorca ist zum Beispiel hier konkret im Blick. Wichtig ist uns, dass die Szene lebendig bleibt und weiterhin von neuen Impulsen profitiert und spannend und irritierend bleibt.
www.zonenkinder.org
instagram.com/thewallplus.hamburg
instagram.com/n_o_madski/
instagram.com/studio_offbeat/
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