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Emilio Cerezo in Spanien: Vom Style und Characters zur Malerei

, by Katia Hermann

Anfänge in einer ländlichen Umgebung

Der spanische Maler Emilio Cerezo wuchs in einer kleinen Stadt namens Totana im Südosten Spaniens auf. Als Kind beschreibt er sich selbst als introvertiert und zeichnete gerne, schaute Animes aus den 90ern, las Mangas und Videospiel-Magazine. Als Teenager hörte er ständig Musik und war nicht besonders gesellig. Sein Interesse galt dem Zeichnen, wobei er sich vor allem von den Animes Dragon Ball, Akira usw. inspirieren ließ. Die Videospiele waren seine erste Annäherung an die grafische Kunst, wie Final Fantasy VII oder Silent Hill. Der Einfluss ist bis heute in seiner Bildsprache, seiner Ästhetik und Bildatmosphäre zu spüren. Seine Großmutter malte Aquarelle, hauptsächlich Blumen und Landschaften, nur als Hobby, aber es war sein erster Kontakt mit der Malerei. Sein Onkel zeichnete Anime-Sachen und Emilio versuchte in seiner Kindheit, ihn zu imitieren. Als Teenager entdeckte Emilio dann auch die Hip-Hop-Kultur. Die ersten Graffiti, die er sah, stammten von den ersten lokalen Writern in seiner Stadt, RAMI und KURRO. Zusammen mit einem Freund machte sich Emilio auf die Suche nach weiteren Pieces und fuhr mit dem Zug in andere Städte in seiner Nähe. Sein erstes Fanzine, ein Graffiti-Magazin aus Barcelona, das er kaufte, hieß „Downrocks“. Er erinnert sich auch daran, dass ihm zu dieser Zeit jemand eine CD mit heruntergeladenen Bildern europäischer Styles schenkte.


Erste Styles in verlassenen Fabriken oder schmutzigen Ecken

Im Jahr 2001begann Emilio selbst mit Style Writing mit verschiedenen Namen: Emilio (2001), dann SLUMP (2002-2005), POTAJE (2005-2012) und schließlich Emilio Cerezo seit 2012. Am Anfang interessierte er sich vor allem für verborgene Orte, verlassene Fabriken und schmutzige Ecken. Er mochte keine Halls of fame voller Pieces und bevorzugte einen weniger sichtbaren Ort, einsame Wände mit interessanten Texturen und einer schönen Umgebung. In diesen ersten Jahren der Praxis beeindruckten Emilio auch die Werke von DAIM und SEAK, insbesondere ihre Sicht auf Volumen und Formen. Später öffneten ihm Characters von spanischen Writern wie SEX aus Granada und FAFA aus Sevilla den Blick für die Verwendung der Spraydose als Malwerkzeug, mit dem er mehr malerisch als im klassischen Style arbeitet. Emilio ist Teil der 626-Crew, vertritt diese aber nicht sehr aktiv, es ist eher eine Gruppe guter Freunde aus verschiedenen Städten, die sich immer freuen, wenn sie sich treffen können.

Als Emilio 18 Jahre alt wurde, zog er nach Granada, um von 2004 bis 2009 an der Universität von Granada Bildende Kunst zu studieren. Von 2009 bis 2010 absolvierte er am selben Ort ein Aufbaustudium in Zeichnen. Nach einem Kurs für Kameraführung und Videoschnitt in Murcia im Jahr 2012 arbeitete Emilio 2013 in einer kleinen Filmproduktion für Animationsfilme in Granada und lernte dabei auch die Texturierung von 3D-Modellen. Dort änderte er seinen Stil ein wenig, indem er sich mehr auf die Bedeutung konzentrierte und nach etwas „Ernsterem“ suchte. Das war ein guter Moment, um seinen richtigen Namen Emilio Cerezo für seine Arbeiten zu verwenden.



Erste Inspirationen und Einflüsse

Während seines Kunststudiums dachte der spanische Künstler nicht über den Einfluss von Graffiti auf seine neuen Werke nach, er wollte einfach nur Spaß am Malen auf der Straße haben und versuchte, seine Arbeit im Freien irgendwie in die Uni-Arbeit zu „importieren“. Er interessierte sich mehr für das, was außerhalb der Schule passierte, und lernte von anderen Künstlern, die draußen Wandbilder malten. Gleichzeitig erlernte er an der Universität klassische Malerei, die ihn als Maler wachsen ließ. In dieser Zeit lernte er auch den Writer und Maler LAGUNA kennen, mit dem er seit 2010 regelmäßig malt, meist in Almagro. Wenn er jetzt zurückblickt, kann er einige Verbindungen zwischen seinen aktuellen Werken und einigen Inhalten sehen, die er vor langer Zeit studiert hat. Nicht nur in Bezug auf die Malerei, sondern auch auf andere Themen, zeitgenössische Kunst im Allgemeinen, Bildhauerei, Installationen und viele andere Kunstformen, die ihm damals nicht viel bedeuteten. Heute weiß er sie viel mehr zu schätzen, sagt er.

Einige Künstler aus verschiedenen Disziplinen gehören heute zu seinen Referenzen. Während seiner Studienzeit beschäftigte er sich mit europäischen Avantgarde-Bewegungen wie dem Impressionismus, dem Fauvismus, dem Expressionismus und mit Malern wie Sorolla, Lucian Freud, Francis Bacon, Eduard Hopper und Jenny Saville, zum Beispiel. Aber auch die Stiche von Escher, Doré, Hokusai und vielen anderen Ukiyo-e-Künstlern haben Emilio inspiriert. Den stärksten Einfluss auf ihn haben aber bis heute einige Maler des 16. und 17. Jahrhunderts wie Caravaggio, Velàzquez und Vermeer. Sie sind immer noch ein großer Einfluss für seine eigenen gemalten Innenraumszenerien, vor allem was Licht, Kontrast und Realismus angeht.

Parallel dazu hat Emilio sein Interesse an Anime- und Manga-Autoren wie Fumito Ueda (einem Schöpfer von Videospielen), Toriyama, Asumiko Nakamura, Yoshiaki Kawajiiri, Masaaki Yuasa, Otomo, Satoshi Kon, Miyazaki beibehalten und aus Europa nennt er Moebius und Sergio Toppi.



Verschiedene Arbeitsmethoden für figurative oder abstrakte Werke

Seit vielen Jahren arbeitet Emilio hauptsächlich mit Acrylfarben, die er mit Pinsel und Rolle im Freien aufträgt. Je nach Werk verwendet er manchmal auch Klebeband und Farbroller. Für seine gemalten figurativen Szenen verwendet er seine eigenen Bilder als Referenzen, und für seine abstrakten Kompositionen bereitet er gerne eine Skizze vor und passt sie an Ort und Stelle an, sei es eine kleine Zeichnung aus seinem Skizzenbuch oder eine digitale Collage. Das Skizzieren war für ihn früher nicht ganz so wichtig, er arbeitete gerne mit den Farben der Umgebung, und der Malprozess ist an sich eine Art Übersetzung seiner Bildsprache. Es war ihm immer wichtiger, wie gemalt wurde, als eine Vorlage zu kopieren. Er achtete nicht so sehr auf die Zeichnung, sondern mehr auf die Farben. Und der kreative Prozess fand fast immer direkt an der Wand statt.

Emilio Cerezos Pieces/Wandbilder sind meist in einem horizontalen Rahmen definiert. Er erklärt, dass er die Idee eines riesigen, an die Wand geklebten Vintage-Posters, einer Comic-Vignette oder einer großformatigen Briefmarke mag. Für ihn sieht es aus wie ein altes Werbeplakat oder eine Illustration, aber ohne Bedeutung, mit einer Art kryptischer Sprache. In der Zwischenzeit sehen sie aus wie eine großformatige Leinwand in einer Ausstellung oder auf einer Bühne, die gut zu der umgebenden Architektur passt. Die geraden Linien eines Rahmens bilden laut ihm einen schönen Kontrast zu dem bewegten Bild, das ihn einnimmt, und somit kann das Gemälde besser atmen. Diese drei Elemente: das Gemälde, der Rahmen und die Umgebung sollten nach Ansicht des Malers eine schöne Unterhaltung miteinander führen.



Für seine abstrakten Werke hat Emilio in den letzten Jahren seine Herangehensweise geändert und die intensive Arbeit mit Farben hinter sich gelassen, um sich mehr auf die Linien zu konzentrieren. Jetzt verbringt er mehr Zeit mit der Auswahl der Zeichnung, die er an die Wand bringen will, testet verschiedene Kompositionen auf einem Foto des Ortes und achtet darauf, wie sie in die Umgebung passt. Und wenn er mit der Skizze zufrieden ist, versucht er, sie so weit wie möglich zu respektieren, berücksichtigt aber auch, die Beschaffenheit der Wand. Je nach Größe, Innen- oder Außenbereich, Beschaffenheit oder Ausrichtung der Wand, wie z. B. Die Sonneneinstrahlung, arbeitet er entweder nur mit schwarzen, kräftigen Linien oder manchmal auch mit mehr verwässerten und detaillierten Elementen.

Emilio malt aber auch manchmal völlig frei, experimentiert und sucht nach neuen Wegen und Möglichkeiten für neue Werke. Um die Motive und Formen für seine letzten Werke zu finden, nutzte er seine eigenen grafischen Ressourcen: alte Zeichnungen, Pinselstriche und Details aus einem seiner Gemälde oder Skizze, die er für Tätowierungen verwendet. Es macht ihm Spaß sein eigenes persönliches Archiv, als Rohmaterial für neue Arbeiten zu recyceln. Formen entstehen manchmal zufällig, wenn er mit Ebenen in Photoshop spielt oder in seinem Skizzenbuch zeichnet. Auf Papier zieht er es vor, so klein wie möglich zu zeichnen, um ein „Überblick“ von dem zu haben, was er tut.



Abstrakte Wandgemälde wie grafische Arbeiten

Irgendwie war Emilio schon immer an Abstraktion interessiert. Selbst beim Malen von figurativen Szenen ging es ihm mehr darum, wie Farben wirken und wie selbst Flecken gut aussehen. Seine Bilder sehen immer ein wenig gebrochen und verzerrt aus, weil es ihm um die Atmosphäre und die hervorgerufenen Gefühle eines Bildes geht und nicht um die exakte und detaillierte Darstellung einer Realität.

Es war ein langer, aber natürlicher Weg zu einer immer abstrakteren Bildsprache, so Emilio. Im Jahr 2019 begann er, einige der Fähigkeiten und die Ästhetik der Abstraktion, die er bereits Jahre zuvor in seinem Atelier und in seiner Tattoo-Praxis entwickelt hatte, auf die Straße zu bringen. Und der Künstler fügt hinzu, dass es nicht weniger wichtig ist, wie einige seiner voll farbigen Wandbilder nach einigen Monaten oder Jahren aussehen, wie sie aufgrund der starken Sonne in Spanien fast die gesamte Helligkeit und Sättigung der Farben verlieren. So begann er, sich über die Haltbarkeit eines Pieces/Wandmalerei Gedanken zu machen. Also begann er mit schwarzer Farbe zu malen, weil sie widerstandsfähiger ist. Aus dem Grund malt er momentan meistens mit schwarzer Farbe auf einem flachen Hintergrund und manchmal mit einem anderen Farbton für den Rahmen. Er testet, wie seine Zeichnung, die hauptsächlich dunkel und tief strukturiert ist, auf einer reinen Farbschicht wirkt, und sucht nach einem einfachen, aber hohen Kontrast. Je nach Wand bevorzugt Emilio eine weniger gesättigte Palette, wie Sand, Braun, Betongrau oder irgendwelche pastelligen oder abgetönten Farben. Je nachdem, was der Ort verlangt, so der Künstler. Für seine abstrakten Gemälde möchte er den Aspekt einer Tuschezeichnung oder eines Kupferstichs erreichen. Nachdem er jahrelang mit einer großen Menge an Farben gemalt hat, schätzt er es, mit so wenig Material wie möglich zu arbeiten, um es einfacher zu machen und den Transport an die Wände zu erleichtern. Bei seinen abstrakten Werken geht es ihm um die Textur, das Rauschen, die Störung, die Landschaft, das Ambiente, die Konstruktion, die Struktur, die Schnitte, Schichten, Objekte, Skulpturen, Bewegung und dem work in progress. Der spanische Künstler möchte, dass die Betrachter seine Werke als eine Art Landschaft oder eine Musikkomposition sehen, denn es geht ihm nicht um Bedeutungen oder direkte Botschaften der Bilder. Für ihn sind sie einfach etwas, in dem man sich für ein paar Minuten verlieren kann, eine Art Garten, in dem man spazieren gehen und ihn erforschen kann. Und das ist sein künstlerisches Ziel.



Atelier-Praxis

Zu den Unterschieden zwischen den Arbeiten im Freien und in Innenräumen, abgesehen vom Maßstab, ausseht Emilio: „Es gibt viele Elemente im Freien, wie die Beschaffenheit der Wand, die Umgebung, die Architektur, die Pflanzen, den Himmel und alles, was ein Werk umgibt, das Teil des Wandbildes wird. Manchmal tragen diese Elemente dazu bei, dass die Arbeit mehr Wirkung hat und noch besser aussieht. Man muss den Ort respektieren und herausfinden, was er von einem verlangt. Wandmalerei sollte mit dem Ort sprechen, in Harmonie mit ihm sein oder einen großen Kontrast bilden, wir müssen die Elemente miteinander verbinden, und das ist immer bereichernd.“

Für die Schaffung von Atelierarbeiten definiert sich der Künstler als unregelmäßiger Arbeiter, mit Zeiten des Tätowierens und Zeiten des Malens. In seinem Atelier ist er allein, nur mit einer weißen Leinwand und in völliger Stille. Keine Rückmeldung aus der Umgebung und daher schwieriger zu beginnen, so Emilio. Das ist auch der Grund, warum er nicht viele mittelgroße Arbeiten macht. Die Arbeit in einem Skizzenbuch ist einfacher und sorgloser, wenn es nicht klappt, macht das nichts, man kann einfach die Seite umblättern und neu anfangen, sagt er. Auf Papier arbeitet er mit Tusche, Feder und Markern. Auf der Leinwand beginnt er mit stark verdünnter Acrylfarbe und einem großen Pinsel für die ersten Schichten und definiert sie danach mit Ölfarbe.

Was seine eigene künstlerische Entwicklung betrifft, erklärt Emilio: „Ich glaube, dass es eine Verbindung zwischen meinen älteren Werken und den neuen gibt, auch wenn sie nicht so offensichtlich ist. In meinen figurativen Werken habe ich mit Themen gearbeitet, die für mich ein Vorwand waren, mich durch die Malerei auszudrücken: Flecken, Gesten, Farben, Texturen… diese Sprache hat mich von Anfang an motiviert, sogar mehr als die Themen selbst. Ich habe nach wie vor dieselben Interessen, aber ich versuche es mit einer anderen Herangehensweise und mich nicht nur auf ein Foto als Ausgangspunkt zu verlassen. Oft denke ich, dass ich gerne mit anderen Disziplinen wie Musik, Animationen, Video, immersiven Installationen experimentieren würde. Aber ich fühle mich noch nicht mutig genug, diesen Schritt zu machen, aber vielleicht geht meine Malerei ja schon irgendwie in diese Richtung.“



https://www.instagram.com/emiliocerezo/

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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