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BILOS (GR) : Buchstaben und Formen als lebende Wesen

, by Katia Hermann

Entdeckung des griechischen und internationalen Style Writing

Der griechische Künstler BILOS wurde 1988 geboren und wuchs in Patras, der viertgrößten Stadt Griechenlands, auf. In seiner Familie waren einige Onkel Maler und seine Mutter schrieb Gedichte und malte in ihrer Freizeit. BILOS zeichnete schon als Kind viel, vor allem Tiere, Maschinen und Städte, und liebte Comics und Illustrationen, bevor er im Alter von 12 Jahren Graffiti in seiner Heimatstadt entdeckte. Er sichtete Tags, Throw-Ups und Pieces in seiner Stadt und begann zu fotografieren, wobei er im Laufe der Jahre ein Archiv anlegte. Sein Vater hatte ein Geschäft in der Stadt, und als Teenager half er bei der Auslieferung. Auf diese Weise kam er viel herum, erkundete die Stadt, lernte etwas über die Geschichte von Patras und machte mehr Graffiti ausfindig, und nutze diese als Kompass zur Orientierung in seiner Stadt. Er begann, Schriftzüge und Styles zu kopieren, zu skizzieren und war hungrig mehr zu entdecken. Seine Eltern unterstützten ihn bei seiner neuen Leidenschaft, und seine Mutter kaufte ihm Bücher über Graffiti Writing, wie „Subway Art“ und „Spraycan Art“. Anfangs war BILOS vom klassischen Wild Style fasziniert, und mochte generell Throw ups. Später war auch das griechische Graffitimagazin „Carpe Diem“ eine große Inspirationsquelle für ihn, ebenso wie das Internet. Auf Websites wie graffiti.org oder art crimes konnte er neue Tags und neue Styles entdecken. Sein allererstes Piece, das er 2001 sprühte, bestand aus den Buchstaben BOS, inspiriert von einem BOSS gemalt von MARE 139, das er auf graffiti.org gefunden hatte. Doch seine ersten Namen waren TORO und EMOT. In den ersten Jahren als Style Writer, von 2001 bis 2006, ließ sich BILOS ebenso durch Pieces von Crews wie SKIDS, FSB, HEROES, UDK, FROGS, AMIGOS FIX, TBD-101 inspirieren, die weniger klassisch und Mainstream waren. In seiner Stadt beeindruckten ihn die Werke von CASH, EPIK, TOURNESOL,TEK, MONDOK und TAS. Viele Jahre lang reiste er mit befreundeten Writern (DEPON, POMIS, LEET, GUGLI und der OSK) durch Griechenland und das Ausland. Sie nahmen an Festivals und Ausstellungen teil, malten aber hauptsächlich zu ihrem eigenen Vergnügen. Schließlich gab er sich 2008  den Namen BILOS und ist bis heute bei seinem Künstlernamen geblieben, auch wenn er immer wieder viele andere Namen (und Buchstaben) gemalt hat.

In Patras studierte BILOS nach der Schule Bauingenieurwesen an der Technischen Universität von Patras, war aber nicht begeistert davon. Nebenbei belegte er Kurse in Stillleben- und Architektur-Zeichnen (bei Andreas Aggelopoulos und Xenofon Papaefthymiou), bevor er sich entschloss, später im Leben, einen Master an der Norwich University of the Arts (GB) 2015 zu machen, im Fach Kommunikationsdesign. Er lebte dort von 2014 bis 2020 und diese Studien führten ihn zu neuen und verschiedenen Gestaltungsprozessen, zum Einsatz neuer Werkzeuge und Technologien und zur Praxis des Siebdrucks. Im Jahr 2020 zog er nach Sofia in Bulgarien.



Inspirationsquellen

Neben Style Writing hat der griechische Künstler weitere verschiedene Inspirationsquellen. Comics haben einen großen Einfluss auf ihn, vor allem was die Farben und Formen betrifft. Der Comiczeichner Moebius wird für ihn immer eine Inspiration sein, laut BILOS. Als er 2009 an einem Portfolio arbeitete, beschäftigte er sich intensiv mit moderner Kunst und entdeckte dabei viele moderne Maler, die ihn nachhaltig beeindrucken. Bewegungen wie Art Brut, Surrealismus und Dadaismus, Maler wie Matisse, Miró, Dubuffet, Dali und Magritte, die über das Gewöhnliche hinausgehen und ihre eigenen Welten schaffen, inspirieren BILOS bis heute. Pop Art und Psychedelic Art ebenso. Auch die Architektur ist eine Inspirationsquelle für seine Arbeit. Der Brutalismus kombiniert bestimmte Bewegungen, roh und konkret, und kann mit seinen schweren Formen und „Vibes wie aus einer anderen Welt“ laut BILOS die Seele eines Graffiti-Writers entzünden. Im Bereich Design ist die Memphis Group einer seiner Lieblingsdesigner, vor allem was die Farbgebung und die Kombination von Formen angeht. Die Arbeiten seiner Freunde monos.cwtos.studio und silver.formz, Mitglieder der OSK-Crew (Outer Space Kids) in Griechenland, haben ebenfalls einen Einfluss auf ihn. All diese verschiedenen Inspirationsquellen brachten BILOS dazu, neue Styles mit Buchstaben zu entwickeln, Elemente auf reine Formen zu reduzieren, Buchstaben zu abstrahieren und sie in halb figurative Formen zu verwandeln, indem er sie als „lebende Wesen“ behandelt.



Weglassen statt hinzufügen

Der große stilistische Wandel für seine eigene Arbeit begann 2008, als er seine Buchstaben vereinfachte, indem er weniger Elemente und größere Formen verwendete. Im Jahr 2009 beschäftigte er sich viel mit Illustration und beobachtete die Entwicklung des Anti-Styles, des Ignorant Style, des Toy Styles oder der naiven Pieces im Style Writing und beschäftigte sich mit moderner Kunst. BILOS erkannte, dass er diese gewisse Freiheit für seine eigene Arbeit wieder einfangen wollte: das Gefühl, aus dem Herzen herauszuschaffen, aus dem klassischen und konventionellen Style Writing auszubrechen und nicht zu versuchen, in das zu passen, was andere erwarten oder mögen. Das Weglassen oder Entfernen von Elementen war eine wichtige Methode, und 2011 malte er sein erstes Pieces ohne Outlines. Es war Liebe auf den ersten Blick, sagt der Künstler heute. Seitdem versucht er, ungewöhnliche Buchstaben zu schaffen, wie seltsame Kreaturen, denen man zum ersten Mal begegnet. Kreaturen, denen er Leben einhaucht und sie in ihren „natürlichen Lebensraum“ bringt, an Wände und an Orte, an denen sie nach ihrer Geburt möglicherweise den Rest ihres Lebens verbringen werden, beschreibt BILOS. 2016 experimentierte er mit virtuellem Graffiti, indem er Software und digitale Tools einsetzte, um Modelle und digitale Skizzen sowie seine Serie „Digital Daydreams“ zu erstellen. Anhand seines Archivs und mithilfe von Fotografien von Wänden erstellt er digitale Pieces, die sich in die auf dem ausgewählten Foto abgebildete Umgebung einfügen und eine Montage bilden. Auf diese Weise kann der Künstler in seinem Atelier spielerisch mit verschiedenen Konzepten experimentieren.



In den letzten Jahren hat BILOS seine Arbeiten mit Bildern von einer Art Gefäßen erweitert, wie Konstruktionen mit imaginären Objekten. Für ihn sind diese Arbeiten „fest auf dem Boden verankert“, denn sie drücken eine Art Gelassenheit und Frieden aus, in der alles dort ist, wo es hingehört. Seine imaginären Formen könnten Wesen oder vertraute Gegenstände darstellen, die sich bewegen, laufen oder stehen. Er hatte schon immer das Gefühl, dass jeder Buchstabe, den er zeichnete oder sprühte, etwas tat: stehen, laufen, treten, fallen… Jetzt sind seine Formen zwar keine Buchstaben mehr, enthalten aber immer noch die selbsttätigen Linien von Buchstaben. Seine neueren Kompositionen mit Elementen, die sich dem Surrealismus annähern, wirken wie Stillleben mit verschiedenen Gegenständen, wie mit z.B. die sich wiederholende Vase. Die Vasenform, zu der er durch die Schrift und die symmetrische Linienzeichnung kam, die Amphore, ist zudem symbolisch und steht für die griechische Kultur und das Erbe des griechischen Künstlers.

BILOS Arbeiten der letzten Jahre scheinen Stillleben mit einem Twist zu sein, bei denen das Leben durch die Kombination verschiedener Linien hinzugefügt wurde, die absichtlich nicht perfekt, sondern frei Hand gezogen sind, wobei sich Kurven auf den Körper beziehen können, der sich bewegt, und gerade Linien auf architektonische Elemente. Die dargestellten Szenerien wirken vertraut und doch scheinen sie aus einer anderen Welt zu stammen, in die der Betrachter eintauchen kann.

In den letzten 20 Jahren hat BILOS seine eigene Welt mit einer besonderen Bildsprache entwickelt, die er selbst als eine Mischung aus Illustration, Typografie, Skulptur und abstrakter Malerei beschreibt.



Arbeitsmethoden

Das Entfernen von Elementen aus seinen ersten Arbeiten bedeutete auch das Entfernen von Effekten und zu vielen Farben. Das Auge kann sich besser auf die Form konzentrieren, wenn nur eine oder zwei Farben verwendet werden, so BILOS, der kalte Töne den warmen vorzieht, weil sie ihm ungewöhnlicher erscheinen. Die Farbkombination ist für ihn sehr wichtig, meistens ist das Blau aber vorhanden. Je nach Stimmung, die er vermitteln will – fröhlich, niedergeschlagen, ernst oder anregend – wählt er eine verschiedene Farbpalette aus. Als er begann, Elemente wie die zweite Kontur, Schatten und sogar die Outlines von Pieces wegzulassen, reduzierte er auch die Farben. Für ihn war es wichtig zu sehen, was es bedeutet, sich zu fokussieren und minimalistischer zu arbeiten, und er erkannte, dass dies eine sehr schwierige Aufgabe ist. BILOS arbeitet fast immer ohne Entwurf für ein Piece, an dem er arbeiten will, und bringt beim Skizzieren nur Ideen, einzelne Schriftarten, Schriftkombinationen und Formen auf ein Blatt Papier. Manchmal verwendet er Objekte, die in der Umgebung der Wand zu finden sind, um 3D-Kompositionen zu schaffen. Generell improvisiert er an der Wand mit Pinsel, Rolle, Wandfarbe und Sprühlack und fühlt sich dabei frei, weil die Größe einer Arbeit an der Wand nicht begrenzt ist, anders als für seine Studioarbeiten auf Papier oder Leinwand, die er mit Stiften, Pinseln, Sprühlack und Drucktechniken anfertigt.

BILOS arbeitet gerne unter Zeitdruck, liebt Herausforderungen und schätzt es, aus Fehlern zu lernen. In seinen jüngsten Werken kombiniert er viele Elemente, die er aus verschiedenen Aspekten unterschiedlicher Phasen seiner Arbeit mag und die nun endlich zusammenkommen. Er fühlt sich sehr zur Abstraktion hingezogen und befindet sich immer noch auf einer künstlerischen Reise. Als Teil der Post-Graffiti-Ära und als beobachtender Künstler ist sich BILOS bewusst, dass die Entwicklung des Post Graffiti mit seinen vielfältigen Einflüssen, seinen verschiedenen interessanten stilistischen Formen, Ausdrucksweisen und Ebenen sehr dynamisch ist und immer noch organisch wächst. Daher wird sich BILOS reichhaltige Arbeit sicherlich auch in Zukunft spannend weiterentwickeln und uns weiterhin überraschen.



instagram.com/_bilos_/

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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