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DIMA GRED in Moskau: Minimal Graffiti Art radikal

, by Katia Hermann

Der in Moskau lebende russische Künstler DIMA GRED (geb. 1990) begann im Jahr 2003 auf der Straße an seinen Namen zu malen. Damals bombte er GRED vorerst in seiner Nachbarschaft, bevor er dann all city wurde. Die meiste Zeit malte er alleine, oder auch mit seinen Freunden der BRS-Crew. Seine Schriftzüge entwickelten sich vom Semi Wild Style zu Blockbuchstaben, meist in zwei Farben und kündigen in gewisser Weise schon seinen Hang zum späteren minimalistischen Stil mit rechteckigen Formen und der Verwendung von nur einer Farbe an. Nach einigen Jahren Aktivität in den Straßen von Moskau wurde GRED verhaftet und hörte zwischen 2008 und 2010 auf zu malen. Im Jahr 2012 machte er seinen Abschluss an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Moskau, ein Studium, das laut ihm aber keinen Einfluss auf seine Arbeit hatte. Jedoch verspürte zu dieser Zeit den Drang, wieder auf der Straße malen zu gehen, allerdings mit einem neuen Stil. Seine GRED-Pieces aus dieser Zeit bestehen aus schwarzen eckigen Blockbuchstaben, leicht nach rechts gebogen, die Buchstaben sind verschachtelt oder auf den Kopf gestellt, leicht abstrahiert, und formen elegante Pieces ähnlich einem gestalteten Logo, das großflächig auf Betonwänden zu schweben scheint.



Des Schreibens seines Namens und der Schriftzüge überdrüssig, begann DIMA GRED 2014, abstrakte Pieces zu entwickeln und verwendet fortan für all seine Werke nur noch die Sprühdosenfarbe schwarz matt. Die Farbe Schwarz hat viele Qualitäten, die der Writer für seine Pieces zu nutzen weiß: Sie ist eine ernste Farbe, kraftvoll, undurchdringlich und geheimnisvoll, aber auch elegant und rein. Vor 2015 sprühte der russische Writer seine geraden Linien mit der Hand, bevor er begann, Klebeband zu verwenden. Das 5 mm dicke Klebeband hilft ihm bis heute, viel schneller zu arbeiten, die Formen noch klarer zu definieren und die Sprühdose nur zum Ausfüllen zu verwenden.



Das Besetzen von städtischen und ländlichen Räumen mit schwarzen minimalistischen Formen

DIMA GRED platziert seine Arbeiten gerne in der Stadt, etwa auf Dächern oder kleinen Betonbauten, aber auch auf Baustellen und an verlassenen Orten rund um Moskau oder auf dem Land in Russland. Einfache Gebäude aus Beton gehören zu seinen bevorzugten urbanen Leinwänden. Er betrachtet immer genau die Umgebung, sucht nach schönen und unterschiedlichen städtischen oder ländlichen Landschaften, um seine prägnanten Graffiti-Pieces aufzunehmen. Um die urbane für ihn inspirierende Stelle zu finden, ist DIMA GRED viel zu Fuß und mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs, beobachtet und registriert Flächen, ist sich aber dabei der ausgedehnten Videoüberwachung in der Stadt Moskau bewusst. Um schöne angemesse ländliche Orte zu finden, recherchiert der Künstler hauptsächlich im Internet und sucht nach verlassenen Orten, Lost Places, die er in Zukunft mit seinen Kunstwerken besetzen kann.



DIMA GRED malt fast immer tagsüber, alleine, manchmal auch nachts, und schafft fast jede Woche ein neues Werk, auch bei extrem niedrigen Temperaturen im Winter. Um neue Formen und Ideen zu finden, skizziert er fast jeden Tag mit Bleistift oder schwarzem Tintenstift in sein Black Book, bevor er nach draußen geht, um ein neues Piece umzusetzen. Der Künstler hat immer eine konkrete Idee im Kopf und eine Skizze in der Tasche, wenn er zum Malen hinausgeht, nur selten ändert er seine erste Idee während des Malprozesses vor Ort.



Einflüsse und Entwicklung einer Minimal Graffiti Kunst

DIMA GRED definiert seine Arbeit mit den hashtags Graffuturism, Non-Objektive Art, Concrete Art und Minimal Art. Einige russische konstruktivistische Maler waren die frühen Pioniere der Non-Objective Art, der abstrakten Kunst, bei der es den Künstlern nicht darum geht, erkennbare Objekte aus der sichtbaren Realität abzubilden. Inspiriert von dem griechischen Philosophen Plato, der glaubte, dass die Geometrie die höchste Form der Schönheit sei, kann diese gegenstandslose Kunst versuchen, das Spirituelle zu visualisieren und kann als Träger einer moralischen Dimension angesehen werden, die für Tugenden wie Reinheit und Einfachheit steht. In DIMA GREDs Arbeiten ist das Streben nach Einfachheit und Reinheit ebenfalls präsent. Concrete Art war eine Kunstbewegung, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einer starken Betonung der geometrischen Abstraktion begann und für eine Kunstrichtung steht, die idealerweise auf mathematisch-geometrischen Grundlagen basiert. DIMA GRED verwendet Maße und definiert Proportionen auf der Basis von Verhältnissen und arbeitet somit auch teilweise mathematisch. Minimal Art entstand in den frühen 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten als Gegenbewegung zur gestischen Malerei des Abstrakten Expressionismus. Sie strebt nach schematischer Klarheit, Logik, Objektivität und Entpersönlichung. Die Reduktion auf einfache und klare, meist geometrische Grundstrukturen, sogenannte Primärstrukturen, werden oft in serieller Wiederholung eingesetzt. Auf diese Weise können eigene Ordnungen, Regeln und Gesetze entstehen, die mit Gegensätzen wie Anfang und Ende oder Fülle und Leere operieren. Die Wiederholung einfacher geometrischer Formen, wie Linien oder Quadrate, wird oft verwendet, ebenso wie der begrenzte Einsatz von Farben. Minimal Art Künstler lehnen die ästhetischen Qualitäten der Kunst zugunsten der physischen Realität des Kunstobjekts ab. All diese Aspekte der Minimal Art finden sich auch im Werk von DIMA GRED wieder, der als Inspirationsquelle die Arbeiten von Sol LeWitt, einem Begründer der Minimal und Conceptual Art zitiert, wie auch die Arbeiten von Donald Judd, Charlotte Posenenske und Julije Knifer.



Auf seine Weise fand der russische Writer und Künstler DIMA GRED einen Weg, all diese Einflüsse in seinen eigenen Arbeiten zu verarbeiten und kann als Beispiel für eine aktuelle Tendenz von Graffiti-Künstlern gesehen werden, die bestehende Stile, Bildsprachen und Methoden der modernen und zeitgenössischen Kunst im Graffiti, in der Wandmalerei, erforschen. DIMA GRED arbeitet mit der Reduktion auf einfache und reine Formen, Primärstrukturen, und verwendet sie monochrom in serieller Wiederholung. In seinen Wandbildern, die er selbst weiterhin Pieces nennt, ist die einzig übriggebliebene Form aus dem Lettering ist der Buchstabenbalke/Streifen. DIMA GRED spielt mit maximal reduzierten, kantigen, geometrischen Formen mit Fülle (gemalte schwarze Flächen) und Leere (Zwischenräume) auf einer auserwählten Wandfläche. Seine nüchternen, geometrischen, minimalistischen, radikalen Pieces wirken wie hinzugefügte Objekte in der Umgebung, die sich in gewisser Weise den umgebenden Formen anpassen, und mit den anderen vertikalen und horizontalen Elementen der Architektur und der umgebenden Landschaft spielen und kommunizieren. Einige folgen den Linien der Architektur, einige scheinen in der Mitte einer Wandfläche zu schweben, sie kontrastieren mit und integrieren sich aber auch angepasst in die Umgebung. Durch bestimmte Proportionen der sich wiederholenden vereinfachten Formen an der Wand erzeugen die Arbeiten von DIMA GRED eine Spannung im Verhältnis zum Raum und haben eine kraftvolle eindringliche Wirkung. Seine Interventionen schaffen Werke, die wie geometrisch-futuristische Eindringlinge im Freien funktionieren und – mit minimalen Mitteln – spielerisch die besetzten Räume transformieren. Die physische Realität und Wirkung seiner Kunstwerke kommt nicht nur vor Ort sondern auch auf seinen dokumentierenden Fotografien wirkungsvoll zur Geltung. Sie zeigen uns die physische Spur der in Form gebrachten schwarzen Farbe im städtischen oder ländlichen Raum und machen diesen Raum zu einer perfekten Bühne für minimal graffiti art.



Wiederholung von Formen in Serien zur Schaffung von Unikaten im Freien und im Innenbereich

DIMA GRED entwickelt an den von ihm ausgewählten Orten seit 2014 Arbeiten mit minimalen geometrischen, rechteckigen Formen, die alle einen zentralen Punkt in ihrer Komposition haben. Indem er mit einem virtuellen Raster arbeitet, das für ihn durch die Architektur/Wand selbst vorgegeben ist, entwickelte DIMA GRED über die Jahre vier Arten von wiederkehrenden Serien wobei jedes Piece seine eigene Ausrichtung und endgültige Form hat und ein Unikat darstellt. Einige seiner frühen Arbeiten sind Kompositionen aus ineinander verschachtelten 30 cm breiten Balken die zusammengesetzt Rechtecke bilden, mit 5 cm breitem Leerraum dazwischen spielen und Bilder mit der Anordnung von wiederholten Rechtecken in verschiedenen Ausrichtungen bilden. Eine andere Serie beschäftigt sich mit 30 cm großen schwarzen Quadraten, die in verschiedenen Kombinationen mit 5 cm Leerraum dazwischen angeordnet sind und verschiedene Grundmuster auf der Struktur der bemalten Wand/Architektur bilden. Die Serie der Arbeiten mit 30 cm breiten langen Streifen, die in Wiederholung mehrere vertikale Linien mit 5 cm Zwischenraum bilden haben die Wirkung, mit der Horizontalität des Gebäudes oder/und der flachen Landschaft ringsum zu brechen. Viele andere Arbeiten, die maßgebend aus schwarzen horizontalen breiten Balken bestehen, panoramische, langgestreckte leere Rechtecke bilden, die aber immer in ihren Proportionen und Balkenanzahl variieren, spielen mit der Horizontalität und Vertikalität des unmittelbaren Raums.



Für diverse Ausstellungen seit 2014 schuf DIMA GRED verschiedene Studioarbeiten für Gruppenausstellungen in Moskau und für die Biennale Internationale d’art Non-Objective in Grenoble, in Frankreich 2017. Für seine Einzelausstellungen im Center Red in Moskau 2016 und in der Galerie Victor Sfez in Paris 2018 malte der russische Künstler direkt auf die Wände der Galerieräume und schuf so immersive wandfüllende Indoor-Wandarbeiten mit Wiederholungen von Formen. Beim Festival für Public Art „Artificatsyla“ in St. Petersburg 2016 überraschte er mit einer Objektinstallation auf dem Boden, eine Ansammlung von 30 cm großen, aus Beton gegossenen Fliesen, die in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet waren.



DIMA GRED findet immer wieder interessante Wege, seine Graffiti-Kunst, seine Arbeiten im Freien, für den Galerieraum zu transformieren. Doch das Skizzieren und Malen im Freien ist nach wie vor die wichtigste künstlerische Tätigkeit dieses jungen russischen Graffiti Writers und Künstlers. Jede Woche überrascht der Unermüdliche mit einem neuen Bild eines neuen Pieces/Werkes auf Instagram. Fotos, die uns klare, elegante kraftvolle Arbeiten zeigen und uns daran erinnern, dass Kraft und Schönheit eines Pieces und Kunstwerkes – hier in situ – in der radikalen Einfachheit und Reinheit liegen kann, und ihre Wirkung ganz besonders in ihrer unmittelbaren inspirierenden Umgebung – draußen – frei entfalten können.



instagram.com/dimagred/ facebook.com/DimaGred/

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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