Lo Milo – Die interventionistische Linie
Der in Bosnien geborene Künstler Lo Milo (geb. 1992) malte seine ersten Graffiti Pieces mit 12 Jahren bevor er 2009 mit JOKE die Crew RFA (Ready for action) in Prijedor, Bosnien, gründete. Damals taggte und malte er verschiedene Namen mit Autolack, denn es gab in dieser kleinen Stadt in Bosnien damals wie heute keine Graffiti Shops. Lo Milo verfolgte zu dieser Zeit Style Writing immer mehr auf Online-Portalen wie auch auf der Berliner Plattform Streetfiles. Die subkulturelle Bewegung, die nun international und weltweit online für alle zugänglich war faszinierte auch Lo Milo, der damals besonderes Interesse an Characters hatte und von den Künstlern Morka aus Kastav (Kroatien) und Lunar aus Zagreb (Kroatien) stark beeindruckt war. Neben dem Writing machte er Musik und spielte Keyboard in Dub/Funk-Bands, fertigte Illustrationen für Plattencover, Plakate und Flyer an, bevor er sich 2011 entschied Kunst zu studieren. Er studierte vier Jahre lang bildende Kunst für einen Master in Ljubljana an der Academy of Fine Arts and Design und verbrachte ein Jahr an der Umprum Academy of Arts, Architecture and Design in Prag. In dieser Zeit entwickelte er seinen abstrakten Stil mit grafischem Ansatz, mit Interesse für Print und Texturen, Hard Cuts und der immer wiederkehrenden Linie, die er Freihand immer wieder einsetzt, egal mit welcher Technik. Und auch seine Signatur, sein Tag „Lo“ besteht aus einer einzigen geschlängelten Linie. Seit circa 2014 malt Lo Milo auch wieder vermehrt draußen, in der Stadt, an verlassenen Orten oder in der Natur rundum Ljubljana wo er heute weiterhin lebt.
In situ bedeutet in Dialog mit
Im Unterschied zu früher ist Lo Milo besonders wählerisch, was die Stellen angeht wo er seine Malerei platziert. Es sind Stellen an Orten, die ihm zufällig beim Radfahren oder Spazieren aufgefallen sind durch genaue Beobachtung und die er dann fotografiert, um später gezielt dort zu malen oder – wenn er die Malutensilien dabei hat – auch gleich spontan bemalt. Lo Milo arbeitet meist spontan und immer freestyle ohne jegliche Skizze im Vorfeld und entwickelt die Komposition und Optik in situ. Fast immer integriert er Formen von Elementen der unmittelbaren Umgebung, wie vom Urbanen, der Architektur, der Natur, der Beschaffenheit der Wand oder auch von Baustellenrohmaterialien wie Gitter oder Schläuchen, die in Brachen rumliegen. Seine Malerei ist immer in Kommunikation mit der Umgebung. Mal integriert er Formen, Linien oder Farben einer im Hintergrund liegenden Architektur in seine Wandmalerei an der vordergründig stehenden Wand. Als reduzierte Form verlaufen diese Elemente in Lo Milo’s Bild in der Achse der Architektur weiter. Für andere Stellen spielt Lo Milo mit der Illusion, indem Elemente, die im Vordergrund stehen wie Pfeiler, Schaukel oder ein Baum auch bemalt werden und mit dem im Hintergrund gestalteten Bild, von einem bestimmten Standort aus, eine einzige Komposition ergeben. Bei anderen Arbeiten in verlassenen Gebäuden sind es Schläuche im Vordergrund, dessen Kurven in den gemalten Linien an der Wand mit aufgenommen werden, oder Gitterstäbe, Risse in der Wand oder auch Verfärbungen. Diese sind dann in der fotografischen Aufnahme der temporären Malerei auch zu sehen. In der Natur interveniert Lo Milo mit Kreidespray an Baumstämmen oder Felsen mit simplen Linien, ein malerischer kurzlebiger Eingriff, der als Piece mit gewissem Abstand der Fotoaufnahme wirkt. Diese land art Pieces setzen feine Akzente mit Farbe ohne in der ausgesuchten Umgebung befremdend oder aggressiv zu wirken, sondern im Dialog und Einklang zu sein scheinen mit dem Stück Natur.
Lo Milo, Prijedor, Bosnia 2016 ©Lo Milo Lo Milo, Mostar, Bosnia 2017 street art Festival ©Lo Milo Lo Milo project with Prostorož, Ljubljana, Slovenia 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Prague, Czech R 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Prague, Czech R 017 ©Lo Milo Lo Milo, Ljubljana, Slovenia 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Mostar Bosnia 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Ljubljana, Slovenia 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Milovice (CZ) 2017 ©Lo Milo Lo Milo, Ljubljana, Slovenia 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Copenhagen, Denmark 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Prijedor, Bosnia 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Prague, Czech R 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Ljubljana, Slovenia 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Ljubljana, Slovenia 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Katowice, Poland 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Katowice, Poland 2018 Katowice Streetart ©Lo Milo Lo Milo, Gdansk, Poland 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Prijedor, Bosnia 2018 ©Lo Milo Lo Milo, Prijedor, Bosnia 2019 ©Lo Milo
Collagierte Mischtechnik
Lo Milo malt mit Rolle, Pinsel und Farbe, Sprühlack mit verschiedenen Caps und öfter mit Tape und experimentiert somit mit einer eigenen Mischtechnik. Meist sind seine Bilder in zwei bis vier Ebenen aufgebaut. Mit collageartigen Effekten, negativ-positiv Formen, Puzzleformen, flachen organischen reduzierte Formen und Flächen, Linien und dem Spiel mit freien Flächen des Hintergrundes, schafft er relativ spontane klare Kompositionen, reduziert, harmonisch, verspielt und mit einer Bildsprache der Moderne des 20. Jahrhunderts. Lo Milo realisiert seine malerischen Interventionen meist im urbanen Umfeld, die auf poetische Weise an der auserwählten Stelle wirken und durch ihre Bildsprache mit der Umgebung in Kontakt stehen. Für die Farbwahl ist er nicht so streng, sagt er von sich, denn Lo Milo verwendet meist drei Farben und die, die er draussen findet, ihm gegeben werden oder die er gerade noch übrig hat und recycelt werden müssen. Außer schwarz, die Basisfarbe, die er angeblich immer auf Lager hat. Neben einigen Wandmalereien platzierte er rechts neben dem Bild eine „digitale Farbpalette“ der Farben, die im Bild benutzt wurden. Die kleinen Vierecke, Pixel-förmig, und in einer Reihe vertikal untereinander angereiht, sind eine direkte Anspielung auf das digitale Zeitalter und den Tools bestimmter Software für Bildgestaltung. Somit lässt Lo Milo Elemente der digitalen zeitgenössischen Bildsprache subtil in seine analogen zeitlos wirkenden Wandmalereien mit einfließen.
Studioarbeiten
Seit seinem Studium und dem Arbeiten im Künstler Squat Rog in Ljubljana circa sechs Jahre lang ist das Recyceln von Materialien für die Studioarbeiten von Lo Milo Normalität geworden. Er verwendet sowohl Holz oder Karton, die Farben, die er hat, und arbeitet gerne collageartig auf Karton. Neben Acryl, Bleistift und verschiedenen Markern arbeitet er auch mit Drucktechniken wie dem Siebdruckverfahren für seine grafischen Arbeiten.
In diesen mischt er Elemente wie simple Linien, Flächen mit Texturen, die collageartig zusammengesetzt werden, und in einer abstrakten Bildsprache mehrere Bilder in einem Bild ergeben. Eins davon fungiert als eine Art Panne, weil anders, es bricht mit der gewissen Logik und provoziert eine kleine visuelle Störung. Denn Lo Milo mag auch das Chaos in der Ordnung und in die dominierende Bildsprache eine Art Bug, eine visuelle Störung, wie in digitalen Videos, einzubauen. Seine Zeichnungen als Unikate oder Drucke fertigte Lo Milo vorerst für Freunde an, die ihn baten, entwickelte und experimentierte viele Arbeiten auf Papier weiter. Eine Auswahl ist aktuell mit circa 20 Arbeiten online erhältlich.
Doch neben seinen Studioarbeiten möchte sich Lo Milo auch weiterhin draußen entwickeln und seine von der Umgebung inspirierten Bildideen im Umfeld umsetzen. Er malt am liebsten im Freien und setzt seine Bildideen – inspiriert von der Umgebung – dort um. Sein Verständnis der eigenen malerischen Tätigkeit ist in erster Linie auf den Prozess und nicht unbedingt auf das Ergebnis gerichtet. Er genießt das ständige Experimentieren und Improvisieren innerhalb der abstrakten Sprache und vermeidet es, sich streng auf eine bestimmte Form oder einen Stil festzulegen. Er zieht es vor, verschiedene visuelle Ansätze in Bezug auf den ortsspezifischen Ort zu kombinieren, anstatt endlose Wiederholungen desselben Motivs durchzuführen, die die Umgebung und den Kontext ignorieren, wie es oft bei abstrakter Kunst im öffentlichen Raum geschieht, laut Lo Milo. An Festivals teilnehmen oder für Institutionen frei zu gestalten, lehnt Lo Milo nicht ab, doch er schaut genau wer die Projekte, für die er angefragt wird, finanziert, um nicht in die Falle von Spekulanten oder Immobilienhaien zu geraten, denn Teil von Gentrifizierungsprozessen zu werden lehnt der ehemalige Squatter strikt ab.
Seit geraumer Zeit verzichtet er auch seine Wandmalereien in lost places zu signieren, für ihn steht es als eine Art Statement, denn es geht ihm letztendlich um eine anonyme interventionistische Malerei an sich, um das Werk in situ, und nicht um die Identität/das Ego des Künstlers, die mit der Signatur eines Namens genannt wird.
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