ELIOTE – Die Atmosphäre eines Pieces
Vom Norden in den Süden
ELIOTE ist Style Writer nun schon seit 17 Jahren. 1999 zog der 1982 geborene französisch-holländische Writer aus Den Haag, Niederlande, nach Vaucluse, Frankreich, dann nach Grenoble und kam dort durch den Writer KRIS mit Graffiti in Kontakt. Er folgte seinem Freund bei seinen Aktionen und fotografierte Graffiti zwei Jahre lang als Spotter, fuhr Skateboard und erkundete den Stadtraum. 2003 zog er nach Paris und griff selber zur Sprühdose. Unter verschiedenen Pseudonymen wie u. a. EFZO malte er in Paris und anderen Städten und zog 2005 in den Süden, nach Marseille, wo er heute weiterhin lebt und im selben Jahr HAMS kennenlernte. Dort gab er sich 2006 den neuen Namen ELIOTE und wurde Mitglied der Crew ER. ISHEM lernte er 2013 kennen und sie gründeten circa 2015 die Crew YY mit weiteren Writern.
ELIOTE’s Buchstaben waren anfangs einfach gehalten, meist zweifarbig im Bubble- und später auch farbig im Semi Wild Style. Er malte mit den Farben, die er gerade zur Verfügung hatte. ELIOTE merkte schnell, dass die Arbeit mit Farben ihm gar nicht so lag und fing an seine Farbpalette auf zwei bis vier Farben zu reduzieren, wobei schwarz und weiß bis heute in seinen Arbeiten dominieren.
Buchstaben und Landschaft
ELIOTE ordnet seine Arbeiten selber in zwei Kategorien ein. Einerseits in die Pieces, in denen die Buchstaben noch klar leserlich bleiben und eine wie er sagt typische Graffiti-Dynamik beinhalten. Andererseits malt er viele Pieces mit abstrahierten Buchstaben, die nur noch als Andeutung im Bild zu erraten sind, mit dünnen Strichen für die Balken oder Kugeln für runde Formen. ELIOTE bezeichnet diese Art von Pieces auch als Landschaften. Mit Formen angelehnt aus der Natur schafft der Writer Gebilde, die strukturiert und grafisch konstruiert durchdacht sind. In manchen Arbeiten erinnern Kugeln/Sphären an Planeten, flächige gewellte Formen an Wolken oder Wasserlachen, eckige Flächen mit Linien durchzogen an rissige Felsen. Manche Arbeiten beinhalten ein schwarz-weißes Raster in Flächen, die so platziert werden, um optische Illusionen und Raum zu erzeugen. Durch Schattierungen werden Volumen hinzugefügt, eine zusätzliche Materialität, Masse oder auch Leichtigkeit erzeugt.
Diese eher abstrakten Arbeiten beschreibt der Writer auch als dekorativ, mit seltsamer futuristischer Atmosphäre/Stimmung, wie schwebende Schiffe leben sie auf der Wand. ELIOTE möchte in seinen Arbeiten etwas Kinematografisches erreichen, ein fantastisches Universum, wo die Natur auf Gestein reduziert ist, unter elektrischer Spannung steht, umgeben von fernen Planeten ohne Spur von Leben. Und immer will er in diesen abstrakt-grafischen Pieces auch eine bestimmte Dynamik erzeugen, und das was von einem Graffiti Piece ohne eindeutigen Buchstaben noch übrig bleiben kann, die Reduktion auf das Wesentliche: Farbe auf der Wand, klassisches horizontales circa 10m langes Format, strukturiertes dynamisches Bild. Dies erreicht er durch die Massenverteilung der einzelnen gedachten Buchstaben seines Namens und ein Gleichgewicht im Gesamtbild, das Bewegung und Energie enthält. ELIOTE’s Arbeiten sind in bestimmter Art maßvoll, asketisch, modern und neuzeitlich.
Digitales Konzipieren zum „Schreiben auf weiße Seiten“
ELIOTE sucht in Marseille immer nach kahlen unberührten Wänden, meist unterirdisch in den Kanalisationen der Stadt, die sich km lang durch die Stadt ziehen. Es ist Platz genug, er beschreibt den Ort als weiße Seite (die es zu beschreiben gilt) und wenn er einen guten Spot gefunden hat, geht er mehrmals hin und schafft an den noch unberührten Wänden beeindruckende Arbeiten, meist ins schwarz-weiß. Manchmal malt er auch mit seinen Crew-Freunden HAMS, ISHEM und anderen.
ELIOTE verwendet Acrylfarbe und eine kleine Rolle, denn er schätzt vor allem das matte Schwarz der Wandfarbe, und das damit verbundene rauere Erscheinungsbild. Am Ende eines gemalten Bildes setzt er noch die Sprühdose ein, um bestimmte Effekte zu erreichen. Seine gut durchdachten Arbeiten entstehen zuvor immer im Atelier als Skizze. Früher mit der Hand gemalt, setzt der Künstler seit 2017 vermehrt Programme wie Photoshop für die Entwürfe ein. Mit diesem Werkzeug kann er ein Foto von dem vorher auserwählten Spot als Hintergrund nutzen, um am Computer eine Gestaltung einzubauen. Er kann hier im Vorfeld ausprobieren, Formen drehen, zersetzen, versetzen, oder Teile löschen. In seinen Kompositionen sucht er immer wieder Erneuerung mit ähnlichen Formen, die im Gleichgewicht sind, um als Gesamtbild die Energie, Stimmung und Eindruck eines Graffiti Pieces im urbanen Raum zu erzeugen. Die Proportionen des Pieces sind der Stelle im urbanen Ort angepasst und somit kann er vor der Aktion des Malens genau kalkulieren und vorher simulieren. Danach geht er an dieser Stelle malen und setzt die Skizze an der Wand naturgetreu in einigen intensiven Stunden um und fotografiert das Resultat. Wenn ihn das Resultat nicht befriedigt, geht er nochmals am nächsten Tag zurück, um das Piece gegebenenfalls abzuändern.
GIF’s und Studioarbeiten
ELIOTE’s Arbeitsweise besteht also aus mehreren Etappen: eine Stelle finden, die genaue Stelle fotografisch in seiner unmittelbaren Umgebung festhalten, die Konzeption und Simulieren am Computer, und die Ausführung vor Ort. Manchmal fotografiert er verschiedene Etappen eines Pieces während des Prozesses und so kam er auf die Idee einer GIF-Animation mit einem seiner Pieces. Er konzipierte danach ein paar Wandarbeiten für GIF’s, die er etappenweise malte und fotografisch festhielt. Der Weg führte somit von einer digitalen Konzeption zu einer analogen Umsetzung für eine animierte und humorvolle digitale Präsentation auf Instagram.
Die Studioarbeiten von ELIOTE unterscheiden sich vor allem im Format mit seinen Pieces an der Wand. Er arbeitet auf Papier und immer in Hochformat, was sich grundsätzlich neben den Maßen von den horizontal angelegten Pieces unterscheidet. Aber auch hier macht er vorher Skizzen am Computer, bevor er mit Acrylfarbe und Pinsel, sowie Airbrush auf Papier arbeitet. Und auch hier sucht er eine gewisse befremdende Stimmung zu erzeugen. Er überträgt Raster, Flächen und Textur und spielt hier noch mehr mit der Materie Farbe, um mit diversen Farbschichten und Aufträgen Transparenzspiele einzubringen. Er möchte mehr Gestik involvieren und beschäftigt sich momentan damit mehr Materialität der Farbe zuzulassen und während des Malaktes freier zu werden, mehr loszulassen. Seine Recherchen, auch wenn vorerst vor allem im Studio sollen letztendlich in freieren Wandarbeiten münden, an leeren, kahlen Stellen, auf weißen ungeschriebenen Seiten der Stadt Marseille, Pieces, die mit ihrem Dasein und Erscheinungsbild teilweise überraschend angenehm befremden.
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