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Galerie „Wildes Herz“ | Dürscheid

, by Katja Glaser

Gruppenausstellung: MOMO, Robert Wobloc, Fuck Artworks



Ich war immer schon der bunte Hund hier

„Leben ist das mit der Freude und den Farben“ – so steht es auf einer kleinen, etwa 15x15cm großen, unscheinbaren Leinwand im Eingangsbereich der Galerie „Wildes Herz“ in Dürscheid geschrieben. Unauffällig steht diese auf einem Wandregal, oberhalb des Verkaufstresens; daneben Telefon, WLAN-Router, Drucker. Teil der Ausstellung ist sie nicht. Eher so etwas wie Dekoration, sollte es so etwas in einer Galerie überhaupt geben. Aber vielleicht geht es ja genau darum: mit Konventionen und Sehgewohnheiten zu brechen. Oder sich zumindest nicht von ihnen beeindrucken zu lassen. Denn im Grunde genommen drückt dieser Spruch die Essenz all dessen aus, was sich in den kleinen aber feinen vier Wänden im Dürscheider Ortszentrum seit wenigen Monaten abspielt und sich in Form der Galerie „Wildes Herz“ verdinglicht hat: Freude an und mit Farben. Inhaber der Galerie ist Michael Apsel – selbst Künstler, aber auch Grafikdesigner, Tätowierer, Organisator, Netzwerker, Mann für alles. Zumindest was die Galerie betrifft. Als Galerist versteht er sich nur bedingt, zumindest nicht im klassischen Sinne, war eine seiner Hauptmotivationen doch gerade, die selektive Instanz Galerist zu unterlaufen. Vielmehr wollte er künstlerisch frei sein, „einfach das machen, worauf er Bock hat und mit wem er Bock hat.“ Auf lange Sicht gesehen, ist es sein Ziel, mit der Galerie „Wildes Herz“ einen Ort des gemeinsamen Austauschs zu schaffen – szeneintern, aber auch darüber hinaus. Und für Kunst zu sensibilisieren, die seiner Meinung nach bisher unterrepräsentiert und somit weit hinter ihrem Potenzial zurückblieb. Egal, um welche Erscheinungsform, Technik oder Stilrichtung es sich handelt. Dass für solch ein Projekt ein gewisses Maß an Idealismus nötig ist, steht außer Frage. Schließlich befindet sich die Galerie nicht in irgendeinem hippen Szeneviertel, sondern in Dürscheid, Mitten im Bergischen Land, 20 Autominuten von Köln entfernt. Das ist natürlich auch Michael Apsel bewusst, doch er glaub an seinen Traum. „Ich kann gar nicht anders. Ich hab immer auf diese Gelegenheit gewartet und jetzt hat sich mir die Chance geboten. Ich wusste Ende letzten Jahres selbst noch nicht, dass ich drei Monate später diese Galerie eröffnen werden. Aber es ist gut so. Ich lebe das. Ich hab schon immer Kunst gemacht und war quasi der bunte Hund hier im Dorf. Jetzt können wenigstens alle sehen, was ich mache.“ 



Nachdem die Galerie im März 2020, aufgrund von Corona, und somit kurz nach ihrer Eröffnung wieder schließen musste, stand am 4. Juli 2020 die langersehnte Wiedereröffnung bevor. Eingeläutet wurde diese von einer Gruppenausstellung. Zu sehen waren – und sind noch bis Anfang September 2020 – der Kölner Graffitikünstler MOMO, der aus Bremen stammende Künstler Robert Wobloc sowie Michael Apsel, der neben seinem Klarnamen auch unter dem Pseudonym Fuck Artworks firmiert. So unterschiedlich die einzelnen Künstler, Arbeiten und Stile auch sind, verbindet sie doch eine Gemeinsamkeit: So liegt ein wesentlicher Grundpfeiler ihrer künstlerischen Laufbahn im Graffiti Writing begründet.



MOMO

Bei Momo scheint dies am offensichtlichsten, firmiert er doch explizit als Graffitikünstler. Als Graffitikünstler, der die Grenzen der Abstraktion immer neu auslotet und den Bereich des Gegenständlichen nur noch sublim streift. Oftmals arbeitet er mit Tier-Charactern, welche die Linienführung und Formgebung seines immer wiederkehrenden Schriftzuges – M.O.M.O. – unterstützen und dadurch weitaus mehr als die Summe ihrer Teile ergeben. Dies bewies es auch in der Galerie „Wildes Herz“, wo er einen Oktopus sich filigran um die Buchstaben „M“ und „O“ winden ließ. Gleichzeitig stellte er zur Schau wie die zugegebenermaßen nicht immer ganz leichte Übersetzung von Graffiti in den Innenraum, seiner Meinung nach, gelöst werden kann: So muss Graffiti weder exklusiv an der Außenwand stattfinden, noch 1:1 auf das – vorwiegend dem White Cube vorbehaltenen – Medium Leinwand übertragen werden. Vielmehr ist auch eine Kombination beider Medien denkbar. Vor diesem Hintergrund bespielte er die Innenwand der Dürscheider Galerie in der für ihn bekanntem Graffiti-Manier, inkorporierte aber gleichzeitig sechs kleinere, rechteckige Leinwände in sein Wandgemälde – wild, bunt, unprätentiös. Auf diese Weise entstand ein spannungsgeladenes Wechselspiel zwischen Innen- und Außenraum, eine künstlerische Symbiose – und Dialektik – verschiedener Trägermedien, Oberflächenstrukturen und Materialästhetiken. All das wäre jedoch nur halb so stimmig, gäbe es da nicht diese weiße Linie – eine mit Needle Cap gezogene und den Buchstaben „M“ andeutende, filigrane Linie, welche das Bild optisch zusammenhält und die verschiedenen Elemente und Farbflächen visuell austariert.

instagram.com/3.amomo


Robert Wobloc

Robert Woblocs Arbeiten besitzen nichts von der Farbigkeit, die MOMOs Arbeiten charakterisieren – ganz im Gegenteil. Dennoch zeichnen auch sie sich durch ein hohes Maß an Abstraktion und Expressivität aus. Auf den ersten Blick wirken sie düster, unnahbar, der Welt abgewandt. Allesamt zeigen sie Gesichter, die zum Teil bis zur Unkenntlichkeit deformiert sind. Sie blicken einem direkt von der Leinwand entgegen und scheinen sich doch in einer Zwischenwelt zu befinden – nicht hier, aber auch nicht dort. Dennoch stehen die Bilder in klarem Gegensatz zu ihrem Urheber, aus dem die Lebensfreude und der Tatendrang nur so herauszusprudeln scheinen. „Ich weiß auch nicht, das [Düstere] steckt irgendwo in mir drin. Ich kann nicht anders. Das bin ich“, kommentiert der Künstler. Tritt man einen Schritt näher an die Arbeiten heran, erkennt man die vielen Farbschichten, den Pinselduktus und die verschiedenen Oberflächenstrukturen. Der Malgestus lässt sich nur erahnen – schnell, intuitiv, abrupt und kantig. Unbequem. Das interessante an Robert Woblocs Arbeiten ist, dass sie allesamt nur Momentaufnahmen zeigen. Es handelt sich somit nicht um ‚fertige‘ Bilder, sondern um Bilder, die den Prozess des Malens nach außen kehren und von der Unmöglichkeit erzählen, diesen jemals zu beenden. „Für mich ist ein Bild nie fertig. Was wir hier in der Galerie hängen sehen, sind verschiedene Stadien, wenn man es so nennen mag. In meiner Garage hab ich über 80 Bilder. Irgendwann hol ich sie alle wieder raus und mal weiter. Ein Bild ist für mich nie fertig“, so der Künstler.

Auch so kann also die Weiterentwicklung von Graffiti-Writing aussehen. Zugegebenermaßen lassen sich die Bezüge nur noch erahnen, scheinen verblasst und überlagert. Was Woblocs Kunstpraktik jedoch bis heute eingeschrieben ist, sind Schnelligkeit, Prozessualität und Dynamik.

instagram.com/robert_wobloc


Fuck Artworks

Mit Fuck Artworks hat sich der Künstler Michael Apsel ein Alter Ego zugelegt. Apsel, der eine professionelle Kunstausbildung im Bereich Malerei und Illustration genoss, hatte die rigiden Konventionen des akademischen Kunstbetriebs irgendwann satt. Ein Marker hat im Ölgemälde nichts zu suchen, wurde ihn einmal gesagt. „Warum? Und wer sagt mir das überhaupt?“, fragte er sich. Schnell war ihm klar: Irgendwas musste sich ändern.

Doch auch im Graffiti fand er nicht die Freiheit, die er zu suchen glaubte. So traf er auch dort auf ein starres Regelwerk und viele ungeschriebene Gesetze. Mit Fuck Artworks befreite er sich von seinen künstlerischen Fesseln und unternahm den Versuch, sich nur auf die Kunst zu konzentrieren. Egal, was dabei rauskommt: Skulpturen, Plastiken, Installationen, Collagen, Gemälde – alles ist erlaubt. Die unterschiedlichsten Materialien, Techniken, Gattungen und Stilrichtungen stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Nur schnell soll es gehen – dieser Habitus hat er sich vom Graffiti bewahrt. „Ich mach mir über die Sinnhaftigkeit oder die Aussage, die ich meinen Arbeiten mitgeben möchte, nicht allzu viel Gedanken. Die Sache ist ja die, dass Dinge von jedem anders interpretiert werden. Das ist auch bei Kunst so. Deshalb möchte ich meine Arbeiten möglichst offen halten, sodass jeder seine eigene Bedeutung darin finden kann“, so der Künstler. Was am Ende dabei rauskommt, lässt sich nur schwer in eine Schublade stecken. Dada, Pop Art, Installationskunst, Konzeptkunst, abstrakte Malerei? Vielleicht von allem ein bisschen. Ist aber auch nicht so wichtig. Denn darum geht es Fuck Artworks ja gerade – den Konventionsbruch zum künstlerischen Mittel zu erklären. Vor diesem Hintergrund könnte man Apsels Arbeiten also auch als Geflecht von Referenzen, Traditionslinien und Aneignungen beschreiben, welches die Spielregeln des Kunstsystems reflektiert und seine Künstlerpersona innerhalb eines Netzwerks an Beziehungen, Abhängigkeiten und Rollenmodellen situiert.

instagram.com/tattoo_wildes_herz


galeriewildesherz.de
instagram.com/galerie_wildes_herz


Katja Glaser
Katja Glaser has a doctorate in media studies and works as a freelance author and copywriter in Cologne. She has already published numerous essays on street art and graffiti. Her monograph “Street Art and New Media. Actors – Practices – Aesthetics” was published by transcript in 2017.

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