Kouka, der interkulturelle Kontextkünstler
Aus einer Künstlerfamilie aus Frankreich und Kongo stammend, wurde Kouka Ntadi 1981 in Paris geboren und zog in seiner Jugend nach Toulouse. Mit 14 Jahren entdeckte er dort die Graffitkultur durch farbenfrohen Arbeiten von Crews wie Truskool. Er fing an zu taggen und Pieces mit seinem Pseudonym Blam zu malen. Als Skater, Rapper und Writer ist Kouka ein Vertreter der urbanen Kulturen. Mit Wurzeln im Graffiti und während des Aufkommens von Street Art mit dabei, gehört er der Generation an, die von der damaligen Street Art-Welle in den 2000er Jahren mitgenommen wurde. In dieser Zeit machte er sein Studium an der Ecole des Beaux-Arts in Avignon, wo er mit Video- und Medienbildern experimentierte, bevor er das intensive Malen 2003 in Brüssel während eines Erasmus-Austausches begann. Mit Sprühdose und Pinsel auf großen Tüchern, malte er nach fotografischen Bildern aus den Medien und dekontextualisierte ihre Bedeutung. Der Einfluss des fotografischen Bildes ist bis heute in seiner Arbeit präsent. 2005 zog er zurück nach Paris, wo er weiterhin lebt und in einem Atelier der Stadt Paris arbeitet.
Symbole für den universellen Menschen
Sein von ihm bekanntes Motiv des Bantu-Kriegers, malt er nun seit zehn Jahren immer wieder. Auf einer Reise nach Gabon und Kongo malte er 2008 seinen ersten Krieger. Graffiti gab es dort nicht, den öffentliche Raum gab es dort nicht, es fehlte an Materialien zum Malen. In einer Bibliothek in Libreville entdeckte er ein Buch über die Bantu-Völker, ethnologische schwarz-weiß Fotografien von Kriegern und Jägern, anonym, in neutralen Posen. Sie inspirierten ihn, und er malte mit schwarzer und weißer Wandfarbe seinen ersten Bantu-Krieger an einem verlassenen Gebäude in Libreville, das in den 80er Jahren das Internationale Zentrum für Bantu-Zivilisationen werden sollte und seitdem der französischen Armee als Trainingslager dient.
Dieses Bild des Bantu-Kriegers dient ihm seither als universelles Symbol des Menschen, der mit einer inneren Kraft und Mut dem Leben entgegensteht, Werte vertritt und sich öffentliche Räume, Territorien, aneignet, um diese zu schützen, zu hüten. Die schwarz-weiß gemalten Figuren, die wie Statuen an Mauern stehen, sind neutral und universell gemeint, ohne ethnologischen oder kolonialen Kontext, ohne Anspielung auf Krieg und Aggression. Als volksnahen Wächter der Menschheit mit ihrer Präsenz im öffentlichen Raum sollen sie das Universelle im Menschen verkörpern: seine Stärke und seine Vergänglichkeit. Neben den männlichen Jägern, malt Kouka auch weibliche, z.B. nach dem Vorbild der Amazonen von Dahomey.
Doch neben Vorbildern aus Afrika, hat Kouka auch westliche Vorbilder in seine Arbeit einfließen lassen, wie z.B. den Denker von Rodin. Auf der Suche nach weiteren Symbolen für das menschliche Dasein, stieß er auf den Denker. Nackt, ohne kulturellen Attribute, muskulös und doch verwundbar als Mensch, der über sein Dasein nachdenkt und von Rodin als Wächter des Höllentors entstand, wurde dieses Vorbild für Kouka ebenfalls zu einem Symbol für den universellen Menschen.
Von der Malerei auf der Straße, an Mauern entstanden, wanderten seine Figuren auch ins Atelier. Anstatt klassische vorfabrizierte Leinwände zu nehmen, suchte Kouka nach anderen natürlicheren Maluntergründen und verwendet seitdem Holz, Karton, Papier auf Leinwand geklebt, oder Leinen. Auf machen Arbeiten integriert er seine Rap-Texte, formt seine Wörter mit der Dose und verwendet sie als grafisches Element neben seinen Figuren.
Montresso Art Foundation/Jardin Rouge, sein zweites Zuhause
In der Künstler-Residenz Jardin Rouge der Montresso Art Foundation in Marrakesch, ist er nun zum fünften Mal. Bei seinem erster Aufenthalt 2014, war der Ort noch nicht vollkommen fertig. Es kamen vor allem russische Künstler und ein paar Franzosen. Kouka arbeitete dort mit einem Kunsthandwerker/Tischler zusammen um zu lernen Holz zu bearbeiten um es dann als Untergrund für seine Malerei zu verwenden. Er freundete sich mit dem Inhaber des Jardin Rouge an und kam seitdem jedes Jahr. 2015 arbeitete er dort an Inhalten und an der Darstellung des Kriegers, das Jahr darauf kreierte er Totems.
Dieses Jahr, während seines dreiwöchigen Aufenthalts, verwendete er Sackleinen als Maluntergrund. Diese bekam er auf den lokalen Märkten und stehen für ihn als Symbol des triangulären Handels, der Reise und haben durch Abnutzungs- und Reise-Stempelspuren ihre ganz eigene Geschichte. Er sieht darin einen Zusammenhang mit den Bantu-Völkern, die während der Sklaverei verschifft wurden. Dieses Mal sind es keine Krieger sondern Kriegerinnen, den Kouka eine Serie widmet. Wie rangezoomt, sind Ausschnitte von weiblichen Körperteile abgebildet, wie Bauch oder Brüste, die als universelles Symbol der Weiblichkeit und Fruchtbarkeit gelten. Kouka wollte hier ganz bewusst eine Hommage an die Kraft der Frau und der Weiblichkeit widmen. Seine neuen Werke sind noch bis zum 13. März in der Montresso Art Foundation zu sehen.
Interkulturelle Wurzeln
Kouka arbeitet heute zu 80% in seinem Atelier und nimmt nur einige Aufträge im öffentlichen Raum an, manchmal interveniert er auch unbeauftragt. Er war auch mehrmals in Berlin und malte u.a. mit Miss Van und besuchte seinen Freund SP38. Er hinterließ einige Krieger: im Wedding, auf einem Mauerstück und an der East Side Gallery zwischen 2014 und 2017.
Den aktuell verwendeten Begriffen wie Urban Art und Street Art steht der Künstler kritisch gegenüber, die viele willkürlich verwenden, ohne Hintergrundwissen und Unterscheidungen zu machen. Viele junge „Street Art-Künstler“ sind seiner Meinung nach „künstlich“ erzeugt und handeln im öffentlichen Raum aus marketingstrategischen Gründen um dem Markt zu bedienen. Der einst politische, rebellische und gegen das etablierte System gerichtete Geist einer Gegenkultur ist Marktkultur geworden. Viele Institutionen bedienen sich diesem Etikett und stellen KünstlerInnen aus, meist haben die Macher aber keinen Bezug zu diesen Kulturen. Selbst in Frankreich, wo Galerien und Institutionen schon lange für diese Kunstbewegungen werben, gibt es in seinen Augen keinen angemessenen Ort, der angemessen vermittelt. Als gelungene Veranstaltung für die Vermittlung der Graffititkultur, nennt er eher kleine Formate, die aus der Szene heraus entstehen, wie z.B. das Festival Planeta Ginga in Rio, das MC Rockin‘ Squat von Assassin initiiert hat.
Aus diesen Gründen definiert sich Kouka, der aus der Graffitikultur und der Street Art-Ära stammt, europäische und afrikanische Wurzeln hat, selbst als interkulturellen bildenden Künstler, der Kontextkunst macht. Gewissen Praktiken eines Graffiti Writers geht er jedoch heute noch nach: das Erkunden des urbanen Raumes, das Wahrnehmen und Lesen von Graffiti und das Finden von idealen Stellen. Und ab und zu hat er dann doch Lust an einer Stelle zu malen, um seine Malerei in einen räumlichen und zeitlichen Kontext zu setzen, sichtbar und als Symbol für alle Menschen.
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